8 Fazit und Praxisableitung
In dieser explorativen Beobachtungsstudie konnte mit Hilfe der T-Pattern Anlayse (TPA) ein Mixed-Methods-Ansatz zur Detektion von Verhaltensmustern erfolgreich durchgeführt werden. Auf Grundlage von geprüften technisch-taktischen Merkmalen wurde ein Kategoriensystem und eine Handlungsanweisung zur Observation (Tagging-Rules als Cheat Sheet) entwickelt. Die technologischen Voraussetzungen für eine chronologisch sequenzielle Analyse konnte durch die Softwarekombination LINCE Plus , Excel 2016 und THEME 6 sichergestellt werden. Nach Abschluss der Untersuchung reichte allerdings diese methodische Vorgehensweise nicht aus, um strategisch-taktische Verhaltensmuster zu erkennen. Deswegen wird eine weitere Überarbeitung zu einem phasenbezogenem Kategoriensystem mit TPA für weiterführende Fragestellungen benötigt. Für technisch-taktische Verhaltensmuster ließen sich vor allem Verkettungen von Tai-sabaki und Kumi-kata jeweils im Ai-yotsu und Kenka-yotsu feststellen. Für die Sportpraxis ergebe sich dadurch folgenden Ableitungen zu den Verhaltensmustern:
In der Phase vor einer erfolgreichen Angriffstechnik im Standkampf werden verschiedene Verhaltensmuster aus kreisförmig initialisierte Schrittmuster und klassischen Grifferöffnungen über das Revers ausgeführt. Demnach ist die Auseinandersetzung mit dem Griffkampf eng mit den Laufwegen und Tai-sabaki-Formen verbunden. Hier sind nicht-wettkampfnahe Trainingsmittel aktiv zu nutzen (z. B. Tandoku-renshu, Yaku-soku-geiko oder technisch-taktische Übungen), um die Verknüpfung von Arm- und Beinarbeit zu optimieren.
Es konnten technisch-taktische Verhaltensmuster mit direktem Bezug zu erfolgreichen Wurftechniken erfasst werden, die vor allem durch schnelle Wurfeingangsvarianten (Oi-komi & Tobi-komi) geprägt sind. Es gilt diese Eingangsvarianten für einbeinige und beidbeinige Tokui-waza auszubilden/zu entwickeln. Insbesondere in Kampfsituationen unter Zeitdruck bieten diese Varianten vielversprechende Lösungsansätze.
Die Mehrheit der 508 validierten Verhaltensmuster waren kurze Verbindungen, die sich auch in längeren Verhaltensmustern wiederfinden. D. h. bestimmte Verhaltensmuster definieren grundsätzliche Bewegungsabläufe (z. B. doppleter Tsugi-ashi seitlich), die aber auch Bestandteil von Bewegungsabläufen mit Wertungserfolg sind. An dieser Stelle empfiehlt sich ein Situationstraining mit der Zielstellung auf diese sehr häufigen und kurzen Bewegungsabläufe, besonders das Tai-sabaki während und vor der Grifferöffnungsphase. Hier sind nicht-wettkampfnahe Trainingsmittel wie Kakari-geiko, Yakuu-soku-geiko oder Butsukari-geiko geeignete Übungsformen.
Die verschiedenen Kumi-kata Varianten offenbarten keine Verhaltensmustern mit Cross-Grips, Eri-Griffen, 2:0-Griffen, Doppel-Ärmel-Griffen oder Griffe zum Gürtel (innerhalb der Grifferöffnungsphase). Demzufolge gilt es die individuellen Verhaltensmuster bzw. die Kumi-kata Lösungen im Kampf um den Ärmel-Revers- und Ärmel-Nacken-Griff zu intensivieren. Hier wurden eindeutige Muster gefunden und werden durch die deskriptive Analyse bestätigt.
Aus der explorativen Datenanalyse konnten sowohl technisch-taktische als auch strategisch-taktische Informationen zur Verbesserung der Effektivität von Angriffsaktionen ermittelt werden. Darüber hinaus wurden erstmalig Wettkampfdaten zur Mattenposition der Wertungsaktion und den strategisch-taktischen Rahmenbedingungen bei Führung, Gleichstand und Rückstand erhoben. Hieraus ergeben sich für die Sportpraxis folgende Ableitungen:
Aufgrund der aktuellen Präsenz von Sichel- und Hakeltechniken in allen Kampfsituationen und zu jeder Kampfphase sollte in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele Verhaltensmuster mit Anwendung von Sichel- und Hakeltechniken forciert werden.
In der Ausbildung von Grifferöffnungsvarianten sollte neben der adäquaten Auswahl der Griffvariante, das Repertoire der Grifferöffnungen immer wieder erweitert werden. Obwohl die Dominanz des Ärmel-Revers deutlich wird, sind in bestimmten Kampfsituationen, wie z. B. bei Rückstand mit dem Griff zum Gürtel, effektive Griffvarianten zu wählen.
Unter den wertungsbringenden Angriffsaktionen wurden wenig Kombinationen und kaum Finten erzielt. Hier bleibt unklar, ob diese verstärkt trainiert oder der Fokus auf Direkt- und Konterangriffe gelegt werden sollen. Wir empfehlen daher die Kombinantionen bzw. Finten in die situativen Übungsformen mit Zwischenhandlungen zu integrieren (z. B. Grifferöffnung mit direkter Finte oder Infight-Situation herstellen und die Kombinationsmöglichkeiten auskämpfen).