Plus Prevention Program

Die Testbatterie zur Erfassung neuromuskulärer Defizite im Nachwuchsleistungssport

Wie können muskuloskelettale Schwächen bei jungen Sportlerinnen und Sportlern frühzeitig erkannt und langfristig reduziert werden?

Funktionelle Defizite können neben weiteren Faktoren Ursache für Sportverletzungen sein. Muskuläre Asymmetrien, sowie Beeinträchtigungen in Kraft, Beweglichkeit und Koordination, werden als modifizierbare Risikofaktoren angesehen, welche das Risiko von Verletzungen erhöhen. Im Leistungssport, besonders bei jungen Athlet*innen, können sowohl chronische als auch akute Verletzungen gravierende Folgen haben, wie etwa lange Ausfallzeiten oder das vorzeitige Beenden der sportlichen Laufbahn. Eine frühzeitige Erkennung dieser Faktoren ist daher entscheidend, um gezielte Trainingsinterventionen zur Reduzierung von motorischen Defiziten einzuleiten. Im klinischen Bereich dienen Funktionstests zur Erfassung von neuromuskulären Defiziten. Insbesondere im Nachwuchsleistungssport ist die medizinische Versorgung jedoch oft unzureichend. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer vereinfachten, aber umfassenden Präventivdiagnostik. Welches Tool ermöglicht eine effektive und benutzerfreundliche Früherkennung von neuromuskulären Defiziten im Nachwuchsleistungssport?

Das Plus Prevention Program

Unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen im Nachwuchsleistungssport wurde das Plus Prevention Program entwickelt. Dabei handelt es sich um ein diagnostisches Tool zur Erfassung von muskuloskelettalen Defiziten, speziell für junge Athletinnen und Athleten, wobei besonders Wert auf eine benutzerfreundliche Durchführung, Beurteilung und Auswertung gelegt wird. Durch verschiedene Tests werden essentielle Bewegungsabläufe analysiert und mögliche Risikofaktoren aufgespürt. Die daraus resultierenden Ergebnisse fließen in ein individuelles Risikoprofil ein. Um identifizierte Mängel zu beheben, dienen gezielte Übungsvorschläge, die dazu beitragen, Verletzungsgefahren zu reduzieren. Sportler*innen und ihre Trainer*innen bekommen somit maßgeschneiderte Übungsempfehlungen, um die erkannten Defizite gezielt anzugehen. Die einfache Handhabung und der geringe Bedarf an Materialien machen das Programm auch für Nutzer ohne medizinischen Hintergrund leicht anwendbar.

Testdurchführung
Für die Anwendung des Plus Prevention Programs ist eine Bodenmarkierung in Form eines Pluszeichens erforderlich. Diese Markierung hilft den Testpersonen, die richtigen Startpositionen einzunehmen. Die Linien des Pluszeichens fungieren außerdem als Orientierungspunkte während der Tests, anhand derer die Testleitenden Personen die Ausführung der Bewegungsmuster als "bestanden" oder „nicht bestanden" bewerten. Jeder Test im Plus Prevention Program wird durch detaillierte Informationen begleitet, die das Ziel, die Positionierung der Testperson und der testleitenden Person, sowie Anleitungen zur korrekten Bewegungsausführung und Hinweise auf mögliche Fehler umfassen. Standardisierte Instruktionen gewährleisten eine einheitliche Durchführung der Tests. Zudem sind die Beurteilungskriterien für das Bestehen oder Nichtbestehen jedes Tests klar definiert und durch ergänzende Illustrationen veranschaulicht. In insgesamt neun essentiellen Tests werden umfassende Bewegungsabläufe auf funktionelle Auffälligkeiten geprüft. Wenn diese Tests ohne Auffälligkeiten absolviert werden, sind keine zusätzlichen Untersuchungen notwendig. Falls jedoch ein Test als dysfunktional eingestuft wird, also „nicht bestanden“ ist, sind zusätzliche Subtests erforderlich. Dadurch wird eine zeitökonomische Durchführung gewährleistet, da nur bei auffälligen essentiellen Tests weitere Subtests notwendig sind. Die Subtests helfen anschließend dabei, eingeschränkte Bewegungsmuster genauer zu identifizieren, um daraus effektivere Interventionsmaßnahmen abzuleiten. Die Testbatterie umfasst insgesamt zehn optionale Subtests. Nach Abschluss der Testbatterie und Eingabe der Ergebnisse in die spezielle Excel-Software, erstellt das Plus Prevention Program automatisch einen individuellen Report für jede Testperson. Dieser Report enthält die Testergebnisse sowie zusätzliche Details über die genauen Körperregionen der identifizierten Defizite. Basierend auf diesen Auffälligkeiten werden maßgeschneiderte Übungsempfehlungen erstellt, die mittels eines QR-Codes abgerufen werden können.

Dokumentation und Testzeitpunkte
Für die Aufzeichnung der Testergebnisse des Plus Prevention Programs stehen zwei Methoden zur Verfügung: eine ausgedruckte Checkliste oder die direkte Eingabe über eine Excel-Software. Bei Verwendung des Testprotokolls müssen die Ergebnisse anschließend in die Excel-Datei übertragen werden, um die Auswertung vorzunehmen. Die zu testenden Athlet*innen sollten weder ermüdet noch aufgewärmt sein. Trainer*innen können die Durchführungszeitpunkte des Plus Prevention Programs individuell anpassen, da diese je nach Sportart und Trainingsphase variieren. Dennoch ist es ratsam, das Programm mindestens dreimal jährlich durchzuführen, idealerweise während der Vorbereitungs-, Wettkampf- und Übergangsphasen, um eine kontinuierliche Überwachung der Belastbarkeit der Sportler*innen zu gewährleisten.

Handlungsempfehlungen

  1. Regelmäßige Testdurchführung: Integrieren Sie das Plus Prevention Program mindestens dreimal jährlich. Dies stellt sicher, dass funktionelle Defizite und neuromuskuläre Schwächen kontinuierlich überwacht und rechtzeitig angegangen werden.
  2. Optimale Testbedingungen: Stellen Sie sicher, dass Athlet*innen vor der Durchführung der Tests weder ermüdet noch aufgewärmt sind. Dadurch wird die Genauigkeit der Testergebnisse erhöht.
  3. Gründliche Vorbereitung: Vor der Durchführung der Tests ist es essenziell, das Testmanual des Plus Prevention Programs sorgfältig zu lesen. Dies gewährleistet, die Positionierungen, Bewegungsausführungen und Bewertungskriterien vollständig zu verstehen, damit die Tests korrekt durchgeführt und beurteilt werden können.
  4. Nutzung der digitalen Tools: Verwenden Sie die Excel-Software des Plus Prevention Programs zur Eingabe und Analyse der Testergebnisse. Dies ermöglicht eine effiziente Auswertung und Erstellung individueller Risikoprofile sowie zielgerichteter Übungsempfehlungen.
  5. Individualisierte Trainingsanpassungen: Nutzen Sie die aus den Testergebnissen abgeleiteten Übungsempfehlungen, um Trainingspläne individuell anzupassen. Dies hilft, spezifische Schwächen der Athlet*innen gezielt zu verbessern und das Verletzungsrisiko zu minimieren.
  6. Stelle sicher, dass alle Daten sicher und vertraulich gespeichert werden, um den Datenschutz der Athlet*innen zu gewährleiste

Literatur

Herrington, L., Munro, A. & Jones, P. (2018). Assessment of factors associated with injury risk. In P. Comfort, P. A. Jones, & J. J. McMahon (Hrsg.), Performance Assessment in Strength and Conditioning (S. 53-95). Routledge.

Verhagen, E., van Dyk, N., Clark, N. & Shrier, I. (2018). Do not throw the baby out with the bathwater; screening can identify meaningful risk factors for sports injuries. British Journal of Sports Medicine, 52(19), 1223-1224.