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Wieso ist Kraftdiagnostik mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten wichtig? Kennliniendiagnostik am IsoMed!

Autor: Axel Schleichardt
Hintergrund

Eine externe Kraftwirkung bildet in vielen Sportarten die Grundlage der sportlichen Bewegung. Dabei besteht das Ziel der Bewegungsaufgabe oft darin, einer Masse eine hohe Endgeschwindigkeit zu erteilen. Sei es der eigenen Körpermasse (z. B. Startsprung im Schwimmen) oder einer Gerätmasse (Kugelstoßen). Vorwiegend also in Sportarten, in denen ein einzelner Kraftimpuls leistungsentscheidend sein kann, muss die Kraftwirkung auf dem zur Verfügung stehenden Beschleunigungsweg maximiert werden1 . In Abhängigkeit dieses Beschleunigungswegs und der Zielgeschwindigkeit der zu beschleunigenden Masse lassen sich für die einzelnen Teilantriebe der Gliederkette Anforderungen für das Kraftprofil (Kraft-Geschwindigkeit-Beziehung) formulieren. So unterscheiden sich z. B. die Arbeitsbedingungen der Kniestrecker und der Ellbogenstrecker im Kugelstoßen erheblich – sowohl bezüglich der zu beschleunigenden Masse als auch deren Anfangsgeschwindigkeit zu Beginn der Streckphase. Für den Trainer kann eine darauf ausgerichtete Diagnostik wichtige Informationen zur Trainingssteuerung und Leistungsoptimierung beinhalten.


Antwort

Abb. 1: Beispiel für eine praxisnahe Konstruktion einer linearen Kraft-Geschwindigkeit-Beziehung für eine Muskelgruppe (hier Beinstrecker) aus mehreren Messpunkten. Wesentliche Parameter, wie Maximalkraft (1 RM; F0 ), maximale Leistung und Geschwindigkeit sind damit ableitbar.

Mit der von A. Hill im Jahr 1938 mathematisch beschriebenen Abhängigkeit der Kraft von der Kontraktionsgeschwindigkeit für einen isolierten Muskel steht der Trainingswissenschaft ein Erklärungsmodell für muskelgetriebene sportliche Bewegungen zur Verfügung, das in der Lage ist, Muskel- bzw. Sportlereigenschaften zu bestimmen und somit Begriffskonstrukte wie Schnell-, Maximal- oder Explosivkraft objektiv zu untermauern. Die Beziehung oder Kennlinie, die den Kraftabfall bei ansteigender Geschwindigkeit beschreibtund auch als Kraft-Geschwindigkeit-Profil einer Bewegung bzw. Testübung bezeichnet werden kann, beschreibt das Vermögen eines Sportlers, eine bestimmte Masse in Abhängigkeit ihrer (Eingangs-) Geschwindigkeit weiter zu beschleunigen (Abb. 1).


Abb. 2: Beispiel für kraft- und geschwindigkeitsorientierte Profile und die zugehörigen Leistung-Geschwindigkeit-Profile.

Weiterhin kann aus dieser Kraft-Geschwindigkeit-Beziehung die (maximale) muskuläre Leistung abgeleitet werden (gestrichelte LinieAbb. 1). Mit Diagnosesystemen wie dem IsoMed 2000 (Fa. D. & R. Ferstl GmbH) können also für unterschiedliche Testübungen individuelle Kraft-Geschwindigkeit-Profile erstellt und der Trainingserfolg anhand der Entwicklung z. B. der muskulären Leistung, maximalen Kraft oder Geschwindigkeit (Schnittpunkte der Geraden mit der Ordinate bzw. Abszisse) überprüft werden 3. Dabei werden mit standardisierten Testübungen meist einzelne Teilantriebe bzw. Muskelgruppen bei variierenden Bewegungsgeschwindigkeiten ins „Visier“ genommen (z. B. Kniestrecker, -beuger, Beinstreckerkette, Rumpfstrecker u. a.). Insbesondere in Sportarten mit hohen Schnellkraftanforderungen (hohe Endgeschwindigkeit, hoher Kraftstoß in kurzer Zeit) kann die Maximierung der muskulären Leistung bzw. die Rechtsverschiebung des Kraft-Geschwindigkeit-Profils eine wichtige Leistungsreserve darstellen. Mithilfe der Kennliniendiagnostik kann der Trainer Schwächen erkennen und die Wirksamkeit verschiedener Trainingsabschnitte (z. B. maximalkraftorientierter oder schnelligkeitsorientierter Akzent) überprüfen (Abb. 2) 4.


Gekoppelt an die maximale Leistungsabgabe ist eine optimale Arbeitsgeschwindigkeit der Muskulatur, die ebenfalls aus der Kennlinie abgeleitet werden kann (siehe vopt Abb 1). Daher ist die Kennliniendiagnostik auch in den Ausdauersportarten mit zyklischen Krafteinsätzen von Bedeutung – z. B. bei der Suche nach optimalen, sprich energiesparenden Schritt-, Schlag- oder Tretfrequenzen.

Steht ein isokinetisches Diagnosesystem nicht zur Verfügung, können auch andere Testbewegungen2 zur Kennliniendiagnostik herangezogen werden. Voraussetzung ist eine Möglichkeit, die Geschwindigkeit der Testbewegung zu erfassen. Die unterschiedlichen Geschwindigkeitszustände zur Konstruktion der Last-Geschwindigkeit-Beziehung können dann durch Variation von Zusatzmassen erzeugt werden 3. Aber auch für Bewegungen, die horizontale Massebeschleunigungen zum Ziel haben (Startbewegungen Bahnradsport und Bobsport), können derartige Profile, z. B. mit der aus dem Geschwindigkeitsverlauf abgeleiteten Kraft für die beschleunigte Masse, konstruiert werden.


Handlungsempfehlungen

Überlege, welche Antriebe innerhalb der Wettkampfbewegung eine Schlüsselstellung besitzen!

Suche geeignete Testbewegungen, die diese Antriebe unter wettkampfähnlichen Bedingungen testen (Kraftwirkungsrichtung, Bewegungsbereiche für beteiligte Gelenke, Belastungsdauer).

Variiere die Bewegungsgeschwindigkeit am Diagnosesystem oder durch Laststeigerung (30-85 % RM) in mehreren Stufen. Achte dabei auf Standardisierung bei der Durchführung und Praktikabilität (Testdauer, Ermüdung). Je mehr Stufen desto verlässlichere Aussagen können generiert werden – empfehlenswert sind 4-6 Stufen.

Literatur
  1. Hochmuth, G. (1987). Biomechanical movement analysis regarding the aspect of energy input. In L. Tsarouchas, J. Terauds, B. A. Gowitzke & L. E. Holt (Eds.), 5 International Symposium on Biomechanics in Sports (pp. 3-22). Athens: Hellenic Sports Research Institute.
  2. Jaric, S. (2015). Force-velocity relationship of muscles performing multi-joint maximum performance tasks. International Journal of Sports Medicine, 36 (9), 699-704.
  3. Jovanović, M. & Flanagan, E. P. (2014). Researched applications of velocity based strength training. Journal of Australian Strength and Conditioning, 22 (2), 58-69.
  4. Somozino, P., Rejc, E., Di Prampero, P. E., Belli, A. & Morin, J. B. (2012). Optimal force-velocity profile in ballistic movements – altius: citius or forties? Medicine & Science in Sports & Exercise, 44 (2), 313-322.
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