Wie können Kraftwirkungen in der sportartspezifischen Bewegung erfasst werden?
Generell führen Kraftwirkungen auf ein Widerlager unter Berücksichtigung der Wirkungsdauer (Zeit) zu Geschwindigkeitsänderungen des eigenen Körpers (Sprung; Turnen etc.), mit einem Sportgerät (Skeleton; Radsport etc.) oder eines Gegners (Ringen, Judo etc.).
Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Art des Widerlagers (Widerstand) sportartspezifisch sehr unterschiedlich ist. In vielen Fällen gilt es, die Gravitationskraft mit dem Boden als Widerlager zu überwinden, wobei in einigen Sportarten dabei der Einfluss weiterer zu überwindende Widerstände berücksichtigt werden muss (Rollwiderstand beim Radsport, Gleitreibungswiderstand beim Skilauf, Luftwiderstand beim Eisschnelllauf). Dies führt dazu, dass gleiche Kraftwirkungen bei Optimierung dieser Widerstände (Höhenbedingungen, geringere Luftwiderstände, bessere Schnee- und Eisbedingungen etc.) zu besseren sportlichen Leitungen führen können. In einigen Sportarten dominieren andere zu überwindende Widerstände (Strömungswiderstand im Schwimmen, Kanu, Rudern).
Um Ableitungen für die Gestaltung des Krafttrainings sowie für die Trainingssteuerung zu treffen, ist es notwendig, unter Berücksichtigung dieser sportartspezifischen Widerstandsbedingungen relevante Kraft-/Zeit-Verläufe in der Wettkampf- oder wettkampfanalogen Bewegung zu erfassen. Diese Diagnostik bildet die Basis zur Bestimmung der muskulären Leistung unter wettkampfspezifischen Bewegungsbedingungen.
Abb. 1: Pedalkräfte im Radsport (links1) und Bodenreaktionskräfte beim Weitsprung-Absprung (rechts 2).
Die Erfassung der Kraftwirkungen setzt eine entsprechende Technologie (Druckmessplatten und -sohlen, Inertialsensoren, Dehnungsmessstreifen etc.) und deren Anpassung an sportartspezifische Bedingungen und Anforderungen voraus. Dabei geht es zunächst darum, diese sportartspezifischen Bedingungen unter Berücksichtigung der leistungsstrukturellen Anforderungen zu konkretisieren: Welche Bewegungen und Beschleunigungen spielen für die komplexe Leistung eine dominante Rolle? Generell unterscheiden wir die direkte Messung oder eine indirekte Erfassung (über kinematische Analyse). In der leistungssportlichen Praxis gibt es bereits viele Beispiele für die direkte Messung sportartspezifisch relevanter Kraftwirkungen (Abb. 1, 2 ).
Bei der Erarbeitung und Überführung der Diagnostik der Kraftwirkungen in die leistungssportliche Praxis sind folgende Schritte notwendig:
1. Bestimmung sportartspezifisch relevanter Aktionen:
Auf der Basis einer Anforderungsanalyse geht es darum, die Bewegungen zu kennzeichnen, die für das sportliche Ergebnis eine herausragende Bedeutung haben. Dabei spielt die Qualität der Bewegungsausführung und damit die Bewegungstechnik eine wesentliche Rolle. Werden die Kraftwirkungen in einer zielgerichteten Reihenfolge und an den entscheidenden Schlüsselstellen wirksam? Können Kraftwirkungen an leistungsunwirksamen oder gar leistungshindernden Stellen vermieden werden? Können in den Kraftausdauersportarten durch eine hohe Bewegungsökonomie mit geringeren Kraftwirkungen gleiche Ergebnisse erzielt werden? Relevante Aktionen können der vortriebswirksame Durchzug eines Ruder- oder Kanupaddels, des Armes im Wasser beim Schwimmen, der Abdruck vom Boden mit unterschiedlicher Oberfläche (Tartan, Eis, Schnee, Hallenboden, Sprungturm oder -brett), der Druck auf eine Radpedale, der Schlag/Stoß (Fußball, Volleyball) oder der Wurf/Stoß eines Sportgeräts (Schläger in Vorhandsportarten, Wurfgerät) sein.
2. Entwicklung einer sportartspezifisch relevanten Technologie zur Erfassung der Kraftwirkung:
Unter Mitarbeit/Nutzung von Experten (Technologen/Trainingswissenschaftler) gilt es, eine geeignete Technologie zu finden, mit der diese sportartspezifischen Kraftwirkungen objektiv gemessen werden können. Dies können Messplattformen zur Erfassung der Bodenreaktionskräfte, Druckmesssohlen, Inertialsensoren oder Dehnungsmessstreifen an Körperteilen und Sportgeräten sein. Wichtig ist dabei zu gewährleisten, dass die sportartspezifischen Bewegungen möglichst ungehindert und verlustfrei durchgeführt werden können. Durch die rasante technologische Entwicklung (z. B. immer leichtere und leistungsfähigere Inertialsensoren, telemetrische Datenübertragung oder komfortable interne Datenspeicherung) verbessern sich die Möglichkeiten dafür ständig. Dennoch sind innovative Ideen gefragt, um vor allem ein Sofort-Feedback zu ermöglichen.
3. Evaluierung und Standardisierung der Diagnostik der sportartspezifischen Kraftwirkungen:
Hierbei geht es um die Vorbereitung der Überführung des entwickelten diagnostischen Verfahrens in die leistungssportliche Praxis (Routineverfahren als Bestandteil einer Diagnostik). Das setzt die konkrete und genaue Testbeschreibung sowie die Überprüfung der Gütekriterien mittels Test-/Retestverfahren ein. Dabei sollte auch die Praktikabilität in der Vorbereitung, Durchführung und Datenermittlung/Aufbereitung im Mittelpunkt stehen. Auf dieser Grundlage sind die Teststandards festzulegen.
4. Sportartspezifische Bestimmung/Kennzeichnung von Kraft-Zeit-Verläufen bei Topleistungen:
Um Zielgrößen zu bestimmen, sollten die relevanten Kraft-Zeitverläufe idealerweise bei Topleistungen bestimmt und Soll-Verläufe generalisiert werden (F-t-Soll). Wesentlich ist dabei die Berücksichtigung der Geschwindigkeit (Eingangs- und KSP-Geschwindigkeiten [v-t-Soll]) und damit der muskulären Leistung (P-t-Soll). Diese dienen für andere Sportler als Orientierungen für die Trainingssteuerung sowohl bei Querschnitt-, als auch Längsschnittbetrachtungen.
Auf dieser Grundlage gilt es nun, Zielgrößen für den langfristigen Leistungsaufbau zu definieren und Ableitungen für das weitere Training zu treffen I.
Verstehe die Erfassung der Kraft-Zeit-Verläufe als wichtigen Bestandteil der Trainingssteuerung in deiner Sportart.
Berücksichtige dabei stets die Geschwindigkeit, bei der diese Kraft-Zeit-Verläufe erfasst werden.
Versetze dich in die Lage, Kraft-Zeit- und Leistungs-Zeit-Verläufe selbst lesen und interpretieren zu können.
Erarbeite auf dieser Grundlage trainingsmethodische Ableitungen für die Gestaltung des Krafttrainings in der Trainingsgruppe oder für einzelne Sportler.
Sei offen für Veränderungen, die sich durch ständige Weiterentwicklungen in der Sportart ergeben (neue Elemente und Übungen, präzisierte Technikdetails) und diskutiere deren Auswirkungen auf die Kraft-Zeit-Verläufe bzw. die damit verbundenen aktuell gültigen Anforderungen.