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Wie können kraftbetonte muskuläre Leistungen trainiert werden?

Autor: Ingo Sandau
Hintergrund

In Sportarten, bei denen zur Realisierung der Wettkampfleistung große Widerstände überwunden werden (z. B. Gewichtheben, Bobsport, Hammerwerfen), besteht ein großer Zusammenhang zwischen der muskulären Leistung und dem Niveau der grundlegenden Kraft (u. a. Maximalkraft). Diese muskulären Leistungen können deshalb im übergreifenden Sportartenvergleich als kraftbetont kategorisiert werden. Der unmittelbare Zusammenhang spiegelt sich auch im Training wider. Das Training zur Entwicklung der kraftbetonten muskulären Leistungen beinhaltet einen vergleichsweise großen Anteil an grundlegendem Krafttraining. Dennoch gilt, dass auch kraftbetonte muskuläre Leistungen nicht ausschließlich nur über die Erhöhung der grundlegenden Kraft gesteigert werden können. Es muss innerhalb des Krafttrainings eine „Umwandlung“ über das semispezifische und spezifische Krafttraining sowie über Anteile des Schnelligkeitstrainings stattfinden. Auch in diesem Fall ist die Analyse der Zielbewegung unter Wettkampfbedingungen der Ausgangspunkt zur Bestimmung der relevanten Anforderungen an die Muskeln. Das FAQ soll das Training zur Entwicklung und Ausprägung einer kraftbetonten muskulären Leistung aus konditioneller Sicht am Beispiel des Gewichthebens vorstellen.


Antwort

Abb. 1: Zusammenhang zwischen dem Bestwert in der Kniebeuge und dem Bestwert in der Zweikampfleistung (Summe aus Reißen und Stoßen).

Aufgrund der Anforderungen im Wettkampf wird folgende Einordnung im Training des Gewichthebens vorgenommen: Ein Hanteltraining mit höheren Hantelgeschwindigkeiten als im Wettkampf ist ein Schnelligkeitstraining, ein Hanteltraining mit geringeren Hantelgeschwindigkeiten als im Wettkampf ist ein (spezielles) Krafttraining. Innerhalb des speziellen Krafttrainings gehören die verschiedenen Kniebeugen, Drückübungen sowie die Varianten des Lasthebens (schwere Züge) zum grundlegenden Krafttraining (Komplexe 4, 5, 6 des Trainingsmittelkatalogs im Gewichtheben) 1. Die Übungen Zug breit und Zug eng sind dem semispezifischen Krafttraining zuzuordnen (Komplex 3 des Trainingsmittelkatalogs). Die spezifische muskuläre Leistung im Gewichtheben ist zu einem großen Teil vom grundlegenden Kraftniveau in den unteren Extremitäten abhängig und hier insbesondere von der unspezifischen muskulären Leistung in der Kniebeuge (als Ausdruck der Maximalkraft) 2 (Abb. 1).


Abb. 2: Makrozyklusaufbau im Gewichtheben am Beispiel ausgewählter Übungen für Schnelligkeitstraining (Standreißen), semispezifisches Krafttraining (Zug breit) und grundlegendes Krafttraining (Kniebeuge hinten).

Aus diesem Grund besteht ein Großteil des Trainings darin das grundlegende Kraftniveau kontinuierlich weiter zu erhöhen. Das dafür genutzte grundlegende Krafttraining beinhaltet die Kniebeugen (ungerichteter Charakter) sowie das Lastheben mit engem oder breitem Griff (gerichteter Charakter). Das grundlegende Krafttraining wird mit verschiedenen „Maximalkraftmethoden“ über den gesamten Vorbereitungszyklus angewandt 3. Aufgrund der Bedingungen im Wettkampf (hohe Lasten) erfolgt die Ausprägung der Bestwerte dieser Übungen in den letzten 2-4 Wochen vor dem Hauptwettkampf 4. Trotz des hohen Zusammenhangs zwischen dem grundlegenden Kraftniveau mit der Wettkampfleistung muss ein „Umwandlungsprozess“ dieser unspezifischen muskulären Leistung in die spezifische muskuläre Leistung erfolgen. Dieser Prozess wird über das semispezifische Krafttraining (Zugübungen mit engem und breiten Griff) sowie das Schnelligkeitstraining (bspw. Standreißen) sichergestellt 5. Parallel zum Krafttraining wird zusätzlich das Schnelligkeitstraining über den gesamten Vorbereitungszyklus angewandt (Abb. 2). Eine alleinige Steigerung des grundlegenden Kraftniveaus – ohne Umwandlungsprozess – würde nur zu einer ungenügenden Erhöhung der spezifischen muskulären Leistung führen.


Handlungsempfehlungen

Für kraftorientierte muskuläre Leistungen ist das grundlegende Krafttraining eine wesentliche Komponente im Gesamttrainingsprozess.

Eine Anforderungsanalyse der Wettkampfbewegung ist die Grundlage für ein zielgerichtetes (Kraft-) Training.

Das grundlegende Kraftniveau ist für kraftorientierte muskuläre Leistungen meist eine zu maximierende Größe.

Beachte jedoch, dass immer eine „Umwandlung“ in die spezifische muskuläre Leistung für die Wettkampfbedingungen notwendig ist.

Diagnostiziere die spezifische muskuläre Leistung im laufenden Trainingsprozess, um die Qualität der „Umwandlung“ zu beurteilen und das Training zu steuern.

Die Ausprägung des grundlegenden Kraftniveaus im zeitlichen Bezug zum Hauptwettkampf hängt von den konkreten Anforderungen in der jeweiligen Sportart/Disziplin ab. Je höher die zu überwindenden Widerstände im Wettkampf sind, desto näher liegt die Ausprägung des grundlegenden Kraftniveaus am Hauptwettkampf.

Das Trainingssystem eines Gewichthebers ist nicht 1:1 auf andere Sportarten/Disziplinen zu übernehmen. Überprüfe, welche Inhalte zweckmäßig sind, um die muskuläre Leistung in deiner Sportart/Disziplin zu steigern.

Literatur
  1. Garhammer, J. & Takano, B. (2003). Training for weightlifting. In P. V. Komi (Ed.), Strength and power in sport (pp. 502-515). Oxford: Blackwell Science.
  2. Lippmann, J. & Jentsch, H. (1996). Trainingsmittelkatalog – Gewichtheben BVDG. Leipzig: IAT.
  3. Lippmann, J. (1997). Position of annual training plan for high-performance weightlifters. In: Lukaacsfalvi, A., Takacs, F. eds. Proceedings of the weightlifting symposium. Olympia: International Weightlifting Federation, 38-45.
  4. Stone, M. H., Sands, W. A., Pierce, K. C., Carlock, J., Cardinale, M. & Newton, R. U. (2005). Relationship of maximum strength to weightlifting performance. Medicine and Science in Sports and Exercise, 37 (6), 1037-1043.
  5. Worobjow, A. N. (1984). Gewichtheben. Berlin: Sportverlag.
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