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Wie kann ich die Infektanfälligkeit meiner Athleten reduzieren?

Autor: Christian Puta, Rico May, Urs Granacher & Holger Gabriel
Stand: 2017
Hintergrund

Gerade in den Wintermonaten schnieft und hustet es an jeder Ecke. Die Nase läuft, der Hals kratzt und der Kopf schmerzt. Von Infektionen der oberen Atemwege bleiben auch Sportler nicht verschont - Trainingsausfälle sind meist die Folge. Allerdings sind nicht immer Krankheitserreger die Ursache für die Erkrankung: Das Immunsystem ist nicht nur bei der Infektabwehr, sondern auch bei akuter körperlicher Belastung aktiv. So kann hohe Belastung zu einer immunologischen Stressreaktion führen, die beim Leistungssportler meist mit einer erhöhten Infektanfälligkeit einhergeht. Daher ist es aus gesundheitsrelevanter sowie leistungsoptimierender Sicht notwendig, mithilfe subjektiver und objektiver Anzeichen eine infektinduzierte von einer belastungsinduzierten immunologischen Stressreaktion zu unterscheiden, um die Trainingssteuerung zu optimieren.


Antwort

Abb. 1: Infektrisiko der oberen Atemwege in Realtion zur Belastungsbeanspruchung

Unser Immunsystem reagiert nicht nur bei Infekten, sondern auch bei akuter körperlicher Belastung mit hoher Intensität (z. B. beim Kraft- oder Ausdauertraining). Diese durch Training und Sport ausgelöste Reaktion ist sowohl bei Gesunden als auch bei Kranken eine wesentliche und normale Funktion des Immunsystems. In Phasen erhöhter Trainingsbelastung sind gesunde (Nachwuchs-)Leistungssportler nachweisbar anfälliger für Infekte.

Verglichen mit moderatem Training führt sowohl zu hohe körperliche Aktivität als auch Inaktivität zu einem erhöhten Risiko, einen Infekt der oberen Atemwege zu bekommen. Da der Organismus der Nachwuchsathleten es gewohnt ist, mit immunologischen Stressreaktion fertig zu werden, reagiert das Immunsystem effizienter und der Sportler erholt sich vergleichsweise schneller von Infekten.

 


Egal ob eine Reaktion unseres Immunsystems durch körperliche Belastung oder einen Infekt ausgelöst wird, am wichtigsten ist es, die subjektiven Symptome zu erkennen und richtig einzuordnen. Dafür wurde im Rahmen der KINGS-Studie der sogenannte Immunscore entwickelt. Nachwuchsathleten schätzen zu ausgewählten relevanten Zeitpunkten täglich per App ihr aktuelles Befinden ein und erhalten eine Übersicht zum Verlauf der subjektiven Zeichen immunologischer Stressreaktionen. Dazu zählen u. a. Symptome der oberen und unteren Atemwege, Schlafparameter, „Muskelkater" sowie das Akutmaß für Erholung und Beanspruchung (AEB in Kooperation mit dem REGman-Projekt). Auf der Grundlage der automatisch erstellten Profile ist es dann möglich, zu erkennen, ob die Reaktion des Immunssystems, die Antwort auf die körperliche Belastung ist oder ein Infekt dahinter steckt.


Abb. 2: Ermittlung des Immunscores in der KINGS-Studie

Existieren Symptome der oberen Atemwege bei nicht-vorhandenen Zeichen von „Beanspruchung" sowie Anzeichen geringer Erholung, ist von einer infektbasierten Reaktion des Immunsystems auszugehen. Existieren dagegen keine subjektiven Zeichen der oberen Atemwege bei gleichzeitig erhöhtem Beanspruchungsempfinden und die Erholungsparameter normalisieren sich schnell (z. B. über Nacht bei gutem Schlaf) liegt eine belastungsinduzierte Stressreaktion des Immunsystems vor.

Setzt der Athlet die App regelmäßig ein, wird er selbst erkennen, mit welchen Symptomen sein Körper auf intensives Training reagiert. Sollte er sich doch einmal einen Infekt einfangen und ihn rechtzeitig erkennen, kann eine aduäquate Behandlung und Trainingspause beginnen.


Handlungsempfehlungen

Nutzt den Immunscore, um individuelle Warnzeichen und Symptome sowie deren Verlauf richtig einordnen zu können.

Sensibilisiere Deine Athleten dafür, dass gerade in Phasen hoher Trainingsbelastung ein ausreichender, qualitativ hochwertiger Schlaf (7-9 Stunden) und Hygiene wichtig für eine erfolgreiche Infektabwehr sind.

Beachtet auch andere Einflussfaktoren auf das Stresslevel, z.B. Dehydration, Hitze, Kälte, Höhe, psychischer Stress, Kontakt mit kranken Personen oder schneller Gewichtsverlust.

Eine durchgängige schnell verfügbare Versorgung mit Kohlenhydraten vor, während und nach hohen Belastungen vermindert die immunologische Stressreaktion bei Belastungen.

Nutze angeleitete Entspannungstechniken nach dem Training, um das immunologische Stresslevel deiner Athleten zu reduzieren. 

Führe Dir den Zusammenhang zwischen Belastungsintensität, -umfang und der Tätigkeit des Immunsystems vor Augen und mache Dir bewusst, was Du zur Gesundheit Deiner Athleten beitragen kannst.

Literatur
  1. Puta C., Weber S., May R., Steidten T., Hildebrandt P., Gabriel B., Herbsleb M., Lesinski M., Kellmann M., Granacher U. & Gabriel H. (2016). Immun-Score: Entwicklung eines benutzerfreundlichen Instruments zur standardisierten Erfassung von Symptomen für die Differenzierung von belastungsinduzierter und infektbasierter Stressreaktion im Nachwuchsleistungssport. Leistungssport, 46(6): 15–18.
  2. Puta C., Gabriel B. & Gabriel H. (2016) Sport und Immunsystem. In: M. Wonisch, P. Hofmann, H.; Förster, H. Hörtnagl, E. Ledl-Kurkowski, R. Pokan (Hrsg.). Kompendium der Sportmedizin: Physiologie, Innere Medizin und Pädiatrie. Springer, Austria, 2. Auflage. S. 389–414.
  3. Kellmann, M., Kölling, S. & Hitzschke, B. (2016). Das Akutmaß und die Kurzskala zur Erfassung von Erholung und Beanspruchung im Sport - Manual. Hellenthal: Sportverlag Strauß.
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