Technik
Kondition
Koordination
Taktik
Psyche
Training
Umfeld
Person
Wettkampf
Technologie

Wie kann ich die gängigen angezeigten Werte von Smartwatches interpretieren und in meinem Training nutzen?

Autor: Johanna Ochs & Olaf Ueberschär
Stand: 2022
Hintergrund

Smartwatches sind mittlerweile Standard bei Profi- und Breitensportler*innen. Auch von Nachwuchsleistungssportler*innen werden sie vielfach eingesetzt. Durch die Vielzahl der Nutzer*innen gibt sich für die Hersteller der Smartwatches eine große Zielgruppe, in der der Leistungssport ein Nischenmarkt ist. Im Breitensport werden die Smartwatches in viel größeren Stückzahlen verkauft als im Leistungssport.  Alle Smartwatch-Nutzer*innen verfolgenihre eigenen sportlichen Ziele. Während ein Sportler oder eine Sportlerin mithilfe der Uhr durch Sport abnehmen möchte, will der oder die nächste einen neuen persönlichen Rekord beim anstehenden Marathon laufen. Dieser Spannbreite von Zielen müssen die Smartwatches gerecht werden und aus sportwissenschaftlicher Sicht die Zielerreichung unterstützen. Dazu können die verschiedenen Modelle der Smartwatches inzwischen eine Vielzahl von Werten ermitteln und anzeigen, welche (vermeintlich) aussagen, wie es um die Leistung des Nutzers oder der Nutzerin gestellt ist.

Doch welche Werte werden von verschiedenen Smartwatches angezeigt und wie gut kann man diesen trauen?


Antwort

Die verschiedenen Smartwatches der gängigen Hersteller können inzwischen eine Vielzahl von Werten berechnen und anzeigen. Wenn die Träger*innen es den Geräten ermöglichen, tracken sie den ganzen Tag Daten und berechnen daraus verschiedene Werte. Viele Werte gehen weit über das Training und eine Leistungsentwicklung hinaus und sind damit nicht immer direkt für den Leistungssport von Bedeutung. Doch welche Werte tatsächlich sinnvoll trainingswissenschaftlich genutzt werden können, wird im Folgenden näher erläutert.


Herzfrequenz

Die Messung der Herzfrequenz ist eine gängige Maßnahme während des Trainings und während Wettkämpfen. Sie gibt Aufschluss darüber, wie stark der Athlet oder die Athletin beansprucht ist und leistet so einen Beitrag zur Belastungssteuerung. Die Herzfrequenz mittels Pulsgurt zu messen, hat sich in Vergangenheit bewährt. Dieser sendet in aller Regel verlässliche und genaue Werte an die Smartwatch. Smartwatches selbst können die Herzfrequenz mittels optischer Verfahren (LED-Lichtabsorption) am Handgelenk messen. Diese Messungen funktionieren im Ruhezustand schon gut, doch unter Belastung während des Trainings oder bei Wettkämpfen können Abweichungen von bis zu 40 % auftreten. Fehlerhafte Werte können zu Verunsicherungen bei den Sportler*innen führen. Daher sollten besonders hohe Werte, aber auch niedrige Werte unter Anstrengung kritisch hinterfragt und nicht zur Trainingssteuerung herangezogen werden!


Zurückgelegte Strecke

Wenn man sich die zurückgelegte Strecke, egal ob vom Laufen, Rad-, Inliner- oder Skifahren, auf seiner Smartwatch anschaut, sollte man wissen, wie diese zustande kommt. Denn die Uhren arbeiten in der Regel mit einem GPS-Signal, um die Strecken aufzuzeichnen. Ein solches GPS-Signal braucht mindestens 4 Satelliten, um Distanzen messen zu können. In Häuserschluchten oder im Wald (Blätter reflektieren) wird das Signal oft verfälscht oder teilweise abgeschirmt, sodass erhebliche Ungenauigkeiten in den GPS-Daten entstehen können. Unter Normalbedingungen kann bei handelsüblichen GPS-fähigen Uhren ohne zusätzliche (kostspielige) technische Zusatzausstattungen von einer durchschnittlichen Abweichung zwischen tatsächlicher und gemessener Strecke von etwa 5 % ausgegangen werden. Mit dem Wissen um diesen möglichen Fehler ist diese Funktion relativ gut nutzbar.

Für einen Straßenlauf von 10 km kann es vorkommen, dass die Uhr eines Läufers 9,8 km anzeigt. In einem offiziellen Rennen sind die Strecken genormt, sodass in einem solchen Fall ein Trackingfehler vorliegt. Gleiches gilt, wenn im gleichen Rennen die Uhr einer anderen Läuferin 10,2 km anzeigt. Sie kann durch Überholmanöver aber auch tatsächlich mehr gelaufen sein. Will man das GPS-Signal nutzen, um Intervalle sekundengenau zu trainieren, kommt das System an seine Grenzen. So kann es sein, dass bei einer möglichen Einheit von 6 x 1000 m im Gelände (ohne vermessene Kilometermarken) mit einer Zielzeit 3:30 min durchgehend 3:27-min-Zeiten und 6,1 km angezeigt werden. In einem solchen Fall ist es möglich, dass sich ein persistenter GPS-Fehler eingeschlichen hat; es kann aber auch sein, dass der Sportler oder die Sportlerin das Ziel tatsächlich übererfüllt hat. So sollte man sich bei Trainingseinheiten, in denen Zeiten für Intervallstrecken trainiert werden, nicht ausschließlich auf die GPS-Uhren verlassen. Wenn man ein Gefühl für die „ungefähre“ Pace auf einer unbekannten/nicht vermessenen Strecke bekommen möchte, eigenen sich die Uhren jedoch gut.


GPS-Tracking zur Wettkampfnachbereitung/Teilen in Social Media

Das Tracking der Laufstrecke mittels GPS bietet im Rahmen des Leistungssports einen großen Mehrwert. Denn die gelaufenen Strecken werden oft auf den gängigen Portalen geteilt. So hat auch Richard Ringer nach seinem Marathon-Erfolg bei den European Championships in München 2022 sein Streckenprofil geteilt. Das ermöglicht, dass sein Lauf auf Stärken und Schwächen sowie die Renneinteilung hin analysiert werden kann – auf den ersten Blick natürlich sehr interessant. Doch auch für seine Konkurrenten ist dies interessant, die seine etwaigen Schwächen (Wie kommt er mit Anstiegen / Bergabpassagen klar? Wie mit zwischenzeitlichen Tempoverschärfungen? etc.) für kommende Rennen analysieren und ggf. nutzen können. Daher sollte beim Teilen solcher Daten gut abgewogen werden, welche Rennverläufe man wann veröffentlicht, und zu welchem Zweck eigentlich.


Schrittlänge, Flug- und Bodenkontaktzeiten

Die Schrittlänge wird über Inertialsensoren gemessen, welche aus charakteristischen Eigenschaften der Beschleunigungsdaten die Schrittlänge berechnen. Die eingesetzten Algorithmen basierend dabei oft auf Durchschnittswerten und sind nicht an den Sportler oder die Sportlerin individuell angepasst. So ist bei der Auswertung auch hier eine gewisse Fehlertoleranz einzuräumen und die Werte können in der Regel nicht 1 zu 1 übernommen werden.


Gelaufene Schritte

Der Messung der gelaufenen Schritte liegt eine normgerechte Motorik mit Armbewegungen zugrunde. Ein regelmäßiges Bewegen des Arms, an dem die Smartwatch ist, führt zum Zählen von Schritten. So kann dies auch durch die Pendelbewegung des Arms erreicht werden, was für die Uhr Schritte simuliert. Insgesamt hat dieser Wert eigentlich keine Aussagekraft für den Leistungssport. Im Rahmen von Regenerationstagen kann er jedoch für das Erreichen einer Mindestschrittzahl dienen – oder auch als Motivationshilfe für die üblicherweise langen Wanderungen zu Beginn eines Höhentrainingslagers, bei denen die oftmals kennzahlenzentrierten jungen Sportler*innen sonst nicht viel „zählbares“ in ihren Trainingstagebüchern verbuchen könnten.


Leistung

Verschiedene Uhren geben den Wert „Leistung in Watt“ aus. Hier muss bei der gemessenen Leistung zwischen Laufen und Radfahren unterschieden werden.

Der Wert „Leistung“ wird beim Laufen aus GPS- und Inertialsensordaten abgeschätzt. Diese Daten werden miteinander mithilfe von Algorithmen untereinander ver- und ein Endwert berechnet. Der Endwert besitzt in der Regel keine physikalische Bedeutung und bildet bestenfalls in etwa die mechanische Beanspruchung des Sportlers oder der Sportlerin ab. Ein solcher Wert hat aus wissenschaftlicher Perspektive daher keine Aussagekraft für die tatsächliche Netto- oder Bruttowattleistung des Sportlers oder der Sportlerin. Die verschiedenen Werte von „Leistung“ können lediglich unter identischen äußeren (z. B. immer windstill, bedeckter Himmel und 22 °C) und internen Bedingungen (Regenerationszustand, Wohlbefinden, Kraftfähigkeit etc.) verglichen werden.

Beim Radfahren wird die physikalische Nettoleistung in Watt gemessen. Dies ist möglich, indem die Uhr eine Bluetooth-Verbindung zu Kraftsensoren im Tretlager oder den Pedalen hat. Die Messungen erfolgen in der Regel in einer guten Qualität und bilden damit die wirkliche Nettoleistung des Sportlers oder der Sportlerin gut in Watt ab. Ist eine solche Verbindung zu Kraftsensoren nicht vorhanden, gilt für die Messung gleiches wie für den Wert „Leistung“ beim Laufen.


Aktueller Trainingszustand

Manche Smartwatches berechnen nicht nur die Leistung, sondern geben darüber hinaus Auszukunft zur Qualität des Trainings und daraus abgeleitete Erholungsempfehlungen. Auch hier ist technisch meist völlig unklar, wie die Uhr die Qualität des Trainings messen und daraus tatsächlich Erholungsempfehlungen ermitteln soll. Oft können Nutzer*innen keine individuellen Parameter einstellen und es werden keine Parameter zur Qualitätsmessung angezeigt. So ist in aller Regel davon auszugehen, dass Durchschnittswerte aus den Algorithmen zustande kommen, welche nicht unbedingt zur eigenen Wahrnehmung passen. Diese von den Smartwatches ausgegebenen Werte haben aus wissenschaftlicher Perspektive daher leider meist keinerlei Nutzen.


Handlungsempfehlungen

Suche dir in Abhängigkeit von deinen Zielen 1-2 Messwerte, welche für das Training wesentlich sind und fokussiere dich auf diese Werte. Das meint, dass du weißt, wie sie entstehen, zu interpretieren sind und dich in deiner Leistungsentwicklung unterstützen.

Stimme die Werte auch immer mit deinem Trainer oder deiner Trainerin ab.

Beachte, dass es bei jeder Nutzung in den Ergebnissen der Smartwatch zu Ungenauigkeiten durch äußere und innere Einflüsse kommen kann.

Literatur
  1. Cerezuela-Espejo, V., Hernández-Belmonte, A., Courel-Ibáñez, J., Conesa-Ros, E., Martínez-Cava, A., & Pallarés, J. G. (2020). Running power meters and theoretical models based on laws of physics: Effects of environments and running conditions. Physiology & Behavior, 223, 112972. https://doi.org/https://doi.org/10.1016/j.physbeh.2020.112972
  2. Imbach, F., Candau, R., Chailan, R., & Perrey, S. (2020). Validity of the Stryd Power Meter in Measuring Running Parameters at Submaximal Speeds. Sports, 8(7), 103. https://www.mdpi.com/2075-4663/8/7/103
  3. Lenertz, H. (2019). Pulsmessung am Handgelenk: Wie genau ist die optische Herzfrequenzmessung von Laufuhren? Runner's World. https://www.runnersworld.de/laufuhren/genauigkeit-der-optischen-herzfrequenzmessung/
  4. Wahl, Y., Düking, P., Droszez, A., Wahl, P., & Mester, J. (2017). Criterion-Validity of Commercially Available Physical Activity Tracker to Estimate Step Count, Covered Distance and Energy Expenditure during Sports Conditions [Original Research]. Frontiers in Physiology, 8(725). https://doi.org/10.3389/fphys.2017.00725