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Wie kann die maximale Kraft diagnostiziert werden?

Autor: Ingo Sandau
Hintergrund

Der Erfolg in einer Sportart hängt maßgeblich davon ab, wie die spezifischen konditionellen Leistungsvoraussetzungen (Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer) beim Sportler entwickelt und ausgeprägt sind. Bezüglich der Kraftfähigkeit sollte jeder Trainer für seine Sportart/Disziplin wissen, welche Bedeutung sie besitzt und in welcher Übung sie zweckmäßig zu entwickeln und auszuprägen ist. Ein Test zur Diagnostik der Kraft gibt hierzu hilfreiche Informationen. Die Diagnostik der Kraft bedeutet 1:

  1. Bestimmung des gegenwärtigen Leistungszustands zu einem bestimmten Zeitpunkt,
  2. Darstellung der Veränderung des Kraftniveaus im zeitlichen Verlauf,
  3. Bestimmung von relativen Lasten für Krafttrainingsmethoden,
  4. Erkennen von Wechselwirkungen zwischen maximalem Kraftniveau und der spezifischen muskulären Leistung.

Eine Maximalkraftdiagnostik kann wichtige Orientierungen für die weitere Leistungs- und Trainingssteuerung geben.


Antwort

Abb. 1: Komponenten einer Testbedingung, die eine Aufgabenspezifik definieren und das Testergebnis beeinflussen.

Die Maximalkraft ist als körperliche Eigenschaft ein Konstrukt. Damit dieses Konstrukt gemessen werden kann, muss ein Test (Übung) durchgeführt werden. Die physikalische Größe Kraft (Newton) oder vereinfacht die Zusatzlast (Masse in kg) dienen als Messgröße. In der Regel findet ein Test unter statischen (isometrischen) oder konzentrischen muskulären Arbeitsbedingungen statt, sodass die isometrische oder konzentrische Maximalkraft bestimmt werden kann. Neben der muskulären Arbeitsbedingung ist die gewählte Testübung dafür ausschlaggebend, welches Testergebnis erzielt wird (Testbedingungen, Abb. 1). Diese vielfältigen Faktoren zeigen, dass die Diagnostik der maximalen Kraft sehr differenziert ausgeführt werden kann und muss, da sie immer aufgabenspezifisch ist 2.


Abb. 2: Korrekte Bewegungsausführung der Nackenkniebeuge (Kniebeuge hinten).

Unter sportpraktischen Gesichtspunkten eignen sich sportmotorische Tests zur „Grobdiagnostik“ der Maximalkraft 1. Die tiefe Nackenkniebeuge ist zur Bestimmung der konzentrischen Maximalkraft eine beliebte Testübung. Aufgrund der involvierten Muskelgruppen sowie deren intermuskulärer Koordination bei der Bewegungsausführung besitzt diese Testübung eine große Nähe zu vielen sportlichen Bewegungen (u. a. Beschleunigung im Sprint, Sprung) 3. Die Maximalkraftbestimmung über die Nackenkniebeuge ermöglicht deshalb eine sportartübergreifende Aussage zum grundlegenden maximalen Kraftvermögen der unteren Extremitäten. Üblicherweise wird die Ausführung mit tiefer Hocke gewählt. Trotz gegenteiliger Behauptungen entstehen bei der Bewegungsausführung mit tiefer Hocke weder für die Knie noch für die Wirbelsäule größere Belastungen als bei der Ausführung mit halber Hocke 4. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine gute Bewegungsausführung (Abb. 2). Die höchste Last, die als Einer-WiederholungMaximum (1 RM) bewältigt werden kann, stellt das maximale Kraftniveau in dieser Übung dar. Anstelle des 1 RM kann auch ein 3 RM verwendet werden. Aus der Praxis des Gewichthebens ist bekannt, dass die Aussagefähigkeit zwischen beiden Varianten vergleichbar ist (bei geringeren absoluten Lasten im 3 RM). Für Männer gilt in der Nackenkniebeuge allgemein das zweifache das Körpergewichts als anzustrebendes Kraftniveau 5. Dieser Orientierungswert sollte allerdings sportler- und sportartbezogen auf Gültigkeit überprüft werden. Spätestens wenn der Zuwachs der Maximalkraft in der Nackenkniebeuge nicht mehr im Verhältnis zum Fortschritt in der Wettkampfleistung steht, sollte eine weitere Entwicklung der maximalen Kraft nicht mehr im Trainingsfokus stehen 2. Aufgrund des grundlegenden Charakters wird die Nackenkniebeuge auch als sportartübergreifende Trainingsübung zur Entwickung der Kraftfähigkeit für die unteren Extremitäten eingesetzt. Es muss allerdings angemerkt werden, dass die Maximalkraft in der Nackenkniebeuge wegen der Aufgabenspezifik nicht allgemeingültig ist. Ein einzelner Test zur Bestimmung einer allgemeingültigen Maximalkraft existiert nicht7. Jeder Maximalkrafttest repräsentiert genaugenommen nur „eine“ Maximalkraft für die entsprechende Testbedingung 6. Unterschiedliche Testbedingungen können unterschiedliche Testergebnisse liefern, die wiederum im Kontext der Zielbewegung bewertet und eingeordnet werden müssen.


Handlungsempfehlungen

Die Nackenkniebeuge ist für die Sportpraxis eine einfache Testübung, um das grundlegende konzentrische Maximalkraftniveau der unteren Extremitäten ohne großen apparativen Aufwand zu diagnostizieren. Wenn diese Übung zur Diagnostik genutzt wird, sollten folgende Punkte beachtet werden:

Eine saubere und stabile Bewegungsausführung muss gewährleistet sein. Wenn du die Nackenkniebeuge als Testübung nutzen möchtest, vergewissere dich, dass der Athlet die Kniebeuge auch im Grenzlastbereich richtig ausführen kann. Eine falsche und unsaubere Bewegungsausführung beeinflusst das Testergebnis und kann Verletzungen hervorrufen. Entspricht die Bewegungsausführung mit steigender Last nicht mehr den Anforderungen, dann beende den Test – auch wenn die anvisierte Last noch nicht erreicht wurde.

Nach einer spezifischen Erwärmung sollte jeder Maximalkrafttest in einem ausgeruhten Zustand erfolgen. Versuche innerhalb von 6-8 Serien den Grenzbereich eines Athleten zu erreichen.

Behalte immer in Erinnerung, dass die maximale Kraft in der Kniebeuge aufgabenspezifisch ist! Eine ausschließliche Steuerung der Trainingswirkung bezüglich des maximalen Kraftniveaus über den Kniebeuge-Test ist nicht ausreichend (ausgenommen Gewichtheben und Kraftdreikampf). Mit der Kniebeuge wird auch nur die Kniebeuge überprüft. Nutze mehrere Testbedingungen für eine umfassende Diagnostik des maximalen Kraftniveaus der relevanten Muskeln.

Literatur
  1. Bartonietz, K.E. (1992). Effektivität im Krafttraining. Leistungssport, 22(5), 5-14.
  2. Buckner, S.L., Jessee, M.B., Mattocks, K.T., et al. (2017). Determining strength: A case for multiple methods of measurement. Sports Medicine, 47(2), 193-195.
  3. Hartmann, H., Wirth, K. & Klusemann, M. (2013). Analysis of the load on the knee joint and vertebral column with changes in squatting depth and weight load. Sports Medicine, 43(10), 993-1008.
  4. Martin, D., Carl, K. & Lehnertz K. (2001). Handbuch Trainingslehre. 3 ed. Schorndorf: Hofmann.
  5. McGuigan, M. (2017). Developing Power. Champaign, IL: Human Kinetics.
  6. Myer, G.D., Kushner, A.M., Brent, J.L., et al. (2014). The back squat: A proposed assessment of functional deficits and technical factors that limit performance. Strength and Conditioning Journal, 36(6), 4-27.
  7. Zatsiorsky, V. M. (1996). Krafttraining. Praxis und Wissenschaft. Aachen: Meyer & Meyer.
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