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Welche Emotionen gibt es im Nachwuchsleistungssport? Und wie kann man mit ihnen umgehen?

Autor: Franzi Lautenbach & Johanna Ochs
Stand: 2022
Hintergrund

Emotionen sind Teil des Lebens. Sie kommen im Alltag vor und treten auch im sportlichen Kontext auf. Es gibt dabei eine Vielzahl von Emotionen, welche fast alle von uns kennen. Dazu zählen Emotionen, wie Angst, Ekel, Scham, Schuld oder Trauer. Diese Emotionen sind eher negativ wahrgenommen, da viele von uns sie als unangenehm bewerten. Darüber hinaus werden sie von vielen Menschen mit unschönen Situationen assoziiert.

Hinzukommen eher positiv wahrgenommene Emotionen wie Hoffnung, Dankbarkeit, Freude oder Stolz. Solche Emotionen werden von uns oft mit glücklichen Momenten aus unseren Leben in Verbindung gebracht und werden als angenehm bewertet. Eigentlich sind wir alle mit allen hier beispielhaft genannten Emotionen vertraut.

Doch spielen die verschiedenen Emotionen auch im Sport, also Training und Wettkampf, eine Rolle oder können sie vernachlässigt werden?


Antwort

Jeder und jede kennt eine Vielzahl von Emotionen aus seinem oder ihrem Leben. Die Emotionen bilden in vielen Fällen die Grundlage für das Handeln von Einzelnen und sind eine Art antreibende Kraft. Sie sind oft der Grund, um sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen, sich zu entwickeln und Dinge erreichen zu wollen. So gehören Emotionen zum Sport dazu.

Die verschiedenen Emotionen entstehen durch verschiedene Situationen. Negative Emotionen können durch Stressoren ausgelöst werden. Zum Beispiel können Trainer*innen es als unangenehm empfinden, wenn sie für Sportler*innen, Kolleg*innen, Eltern oder Verbandsoffizielle ständig erreichbar sein müssen. Weiterhin kann Unzufriedenheit durch eingeschränkte Einflussmöglichkeiten bei der Gestaltung optimaler Trainingsumfelder für Sportler*innen entstehen. In solchen Situationen kann es ratsam sein, sich seines eigenen Handelns bewusst zu werden und zu überlegen, wie man bestmöglich mit solchen Situationen umgehen möchte, denn viele davon sind leider oft nicht (sehr schnell oder sehr einfach) veränderbar.

Für Athlet*innen können Stresssituationen durch hohe Trainingsumfänge oder durch den medialen Druck und Social Media hervorgerufen werden. Weitere Gründe können die Doppelbelastung aus sportlicher und schulischer Laufbahn, der Druck durch die Eltern oder das Gefühl zu wenig Selbstbestimmung zu erfahren, sein. Athlet*innen können sich (auch mithilfe von außenstehenden Personen) ihrer Situation bewusstwerden und überlegen, wie sie mit ihr umgehen können und wollen.

Dabei sind eher negative wahrgenommenen Emotionen nicht per se „schlecht“. Sie können zur Fokussierung von Athlet*innen beitragen und den Erfolg unterstützen, wenn sich die Athleten*innen aus dieser Emotion heraus motivieren und Kraft ziehen können. Somit gilt für alle Emotionen, dass sie eine Funktion haben.

Neben den eher negativ wahrgenommenen Emotionen gibt es die eher positiv wahrgenommenen Emotionen. Sie können aktiv aufgebaut werden. Kurzfristig entstehen diese Emotionen als Spaß am Sport oder im Training. Spaß kann damit einen Beitrag zu einer langfristigen Bindung an den Sport leisten und ggf. zu einer schnelleren Regeneration führen. Das passiert, indem die individuelle Wahrnehmung durch den Spaß positiv verändert wird und das Training als nicht so hart wahrgenommen wird. So können Leistungen gesteigert werden.

Mittelfristig können positive Emotionen die Gesundheit unterstützen und durch das Wohlbefinden stehen mehr Ressourcen zur Verfügung. So haben Studien gezeigt, dass Menschen mit einer höheren Positivität beispielsweise mehr soziale Kontakte haben. Es gibt zudem Studien, dass eine höhere Positivität zu einem längeren Leben beitragen kann.

Wie positive Emotionen zur einer Erweiterung der Ressourcen führen können, erklärt die „Broaden-and-Build Theory“ nach Barbara Fredrickson. Die Wissenschaftlerin stellt in dieser Theorie dar, dass durch positive Emotionen das Wahrnehmungs- und Handlungsspektrum erweitert wird. Die Idee hinter einem erweiterten Wahrnehmungsspektrum ist, dass wiederum in Stresssituationen, wie sie in Wettkämpfen entstehen können, die Athlet*innen mehr Handlungsoptionen zur Verfügung haben. Mittel- und langfristig zeigen sich möglicherweise wieder die bereits beschriebenen Effekte. Zudem geht die Theorie davon aus, dass mehr positive Erfahrungen zu mehr und zu schnelleren positiven Emotionen führen und eine Art der Selbstverstärkung eintritt.


Im Rahmen der beschriebenen Theorie wird die undoing-hypothesis beschrieben. Sie besagt, dass Athlet*innen durch positive Emotionen nach Stresssituationen in Training oder Wettkampf schneller regenerierten, und benennt positive Emotionen als „effiziente Vernichter“ von Belastungssituationen. Es gibt wissenschaftliche Studien, welche die Hypothese bestätigen, aber auch Studien, welche die Hypothese nicht bestätigen.

Verschiedene weitere Studien und Untersuchungen konnten aufzeigen, welchen Einfluss positive Emotionen auf Sportler*innen haben:

  • Athlet*innen, die sich ihr “tollstes Ich“ vorstellten, konnten schneller von psychosozialem Stress und körperlicher Belastung sowohl physiologisch als auch psychisch regenerieren, als Sportler*innen, die an das Zähneputzen am Morgen dachten.
  • In einen fingierten Wettkampf mit 11-12-jährigen Turmspringerinnen als Stressor regenerierten die Mädchen, welche sich im Anschluss Katzenvideos anschauten, sich schneller, als die Mädchen, welche einen tropfenden Wasserhahn sahen.
  • Positive Emotionen fördern eine bessere Gedächtnisleistung. Außerdem konnte gezeigt werden, dass Athlet*innen schneller in der Lage sind, zwischen verschiedenen Situationen hin- und herzuspringen und schnellere Entscheidungen treffen, also kognitiv flexibler sind.

So lässt sich zusammenfassend festhalten, dass verschiedene Studien zeigen, dass positive Emotionen positive Auswirkungen auf Athleten*innen haben können.

Zum Gesamtbild gehört auch, dass „zu viele positive Emotionen“ zu Erinnerungslücken führen können. Athlet*innen haben in einer Interviewstudie berichtet, dass sie durch zu starke positive Emotionen einen Fokusverlust wahrgenommen haben, der auch negative Einflüsse auf die sportliche Leistung haben kann.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass Emotionen fast immer vorhanden sind und damit auch kognitive Ressourcen binden. Weiterhin gibt es eher negativ und eher positiv wahrgenommene Emotionen. Doch welche Emotion(en) für einen Athleten oder eine Athletin zur optimalen Leistungserbringung hilfreich sind, ist für jeden Athleten und jede Athletin individuell.


Handlungsempfehlungen

Unterstütze als Trainer*in deinen Athleten oder deine Athletin darin, seine oder ihre Emotionen zu reflektieren.

Unterstütze deinen Athleten oder deine Athletin darin, einzuschätzen, welche Auswirkungen Emotionen auf das Handeln haben.

Beachte, dass alle Emotionen situationsabhängig eingeschätzt werden sollten und immer in einem Kontext stehen

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