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Was versteht man unter (Maximal-)Kraft?

Autor: Ingo Sandau
Hintergrund

Jede sportliche Bewegung beruht auf Geschwindigkeitsänderungen, deren Grundlage der beschleunigungswirksame Anteil einer externen Gesamtkraftwirkung ist. Diese Kraftwirkung wird als muskuläre Leistung verstanden, die vom Sportler aktiv über die Skelettmuskulatur aufgebracht wird. Die muskuläre Leistung steht im Bezug zu körperlichen Eigenschaften des Athleten, die in der Trainingslehre als Fähigkeiten bezeichnet werden – Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer. Bei den Fähigkeiten handelt es sich um Konstrukte (theoretische Sachverhalte), die erst anhand von Indikatoren messbar gemacht werden können (Operationalisierung). Für die Operationalisierung der Fähigkeit „Kraft“ wird oft die physikalische Größe Kraft (Newton) genutzt. In den meisten Fällen reicht allerdings die Zusatzlast (Masse in kg) als Indikator für die Kraftfähigkeit. Wird eine höhere Last als zuvor bewegt oder eine identische Last schneller als zuvor bewegt, dann ist eine höhere Kraftfähigkeit vorhanden. Um Kraft bspw. von Schnelligkeit abzugrenzen wird in der Literatur erst von Kraft gesprochen, wenn bei muskulären Leistungen Krafteinsätze > 30 % der maximalen Kraft wirksam werden. Allerdings wird für alle muskulären Leistungen Kraft benötigt, da die Kraft die Grundlage für jede Bewegung bzw. Bewegungsänderung ist. Ein klares Verständnis zum Begriff „Kraft“ ist aber nicht nur in der Theorie von Bedeutung, sondern auch, wenn es um die Abgrenzung von Trainingsbereichen geht I.


Antwort

Eine extern wirkende Kraft ist die Grundlage jeder sportlichen Bewegung und damit jeder muskulären Leistung. Die Kraftfähigkeit hat demzufolge eine übergeordnete Bedeutung, weshalb die Bestimmung der Kraftfähigkeit eines Athleten eine wesentliche Komponente bei der Diagnostik des Leistungszustands ist. Innerhalb der Diagnostik existieren verschiedene Tests, um bestimmte Ausprägungen der Kraftfähigkeit zu bestimmen. Eine Ausprägung ist die maximale Kraft bzw. die Maximalkraft. Die Maximalkraft definiert sich als die höchste Kraft, die das neuromuskuläre System willkürlich ausüben kann 2. Da es sich bei der maximalen Kraft um ein Konstrukt handelt, dient ein Test zur Operationalisierung (Messbarmachung). Das erzielte Testergebnis wird als Ausdruck der maximalen Kraft gewertet. Dabei muss stets berücksichtigt werden, dass die gemessene Maximalkraft aufgabenspezifisch ist. Das bedeutet, dass der erzielte Kraftoutput immer in Verbindung mit der Testbedingung steht 3. In der Praxis sind deshalb unter verschiedenen Bedingungen ermittelte Maximalkraftwerte oft nur bedingt miteinander vergleichbar.

Aus Sicht der Kraft-Geschwindigkeit-Beziehung kann die „reine“ maximale Kraft nur unter statischen Arbeitsbedingungen gemessen werden (isometrische Maximalkraft). In diesem Fall repräsentiert der erzielte Kraftwert das maximale Potenzial des Muskel-Sehnen-Komplexes, ohne den Einfluss der Bewegungsgeschwindigkeit. Mit steigender Bewegungsgeschwindigkeit reduziert sich der gemessene Kraftwert (Kraft-Geschwindigkeit-Beziehung). Zur Vereinfachung entspricht im sportpraktischen Kontext die Maximalkraft der höchsten Last, die bei einer Testübung bewältigt werden kann (konzentrische Maximalkraft). Hierzu wird bspw. das Einer-Wiederholungs-Maximum (1 RM) bei einem Test ermittelt und als Planungsgröße für das Krafttraining herangezogen 4. Als sogenannte Basisgröße hat die Erhöhung der maximalen Kraft oft einen positiven Einfluss auf muskuläre Leistungen im Wirkungsgefüge von Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer 5, II. Ein Training zu Verbesserung der Maximalkraft kann deshalb für viele Sportarten eine Leistungsreserve darstellen. Wie der Muskel Kraft erzeugt und zu einer externen Kraftwirkung führt, hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab III, IV.


Handlungsempfehlungen

In jeder Sportart kann die maximale Kraft gezielt entwickelt werden, um Leistungsreserven zu erschließen und die muskuläre Leistung in der Wettkampfbewegung zu steigern. Bei der Entwicklung und Ausprägung der Maximalkraft gibt es zwei Kernpunkte zu beachten:

Die Maximalkraft kann nur über einen Test operationalisiert werden. Mach dir bewusst, dass das Testergebnis immer von den Testbedingungen abhängig ist. Prüfe deshalb, inwieweit die Testbedingung und das erzielte Testergebnis (der maximale Kraftwert) den sportartspezifischen Bezug für deine „Zielbewegung“ hinreichend berücksichtigen.

Die Kraft ist (nur) eine Komponente der muskulären Leistung. Überlege deshalb, „wie viel“ Maximalkraft für deine Sportart wirklich notwendig ist, ohne eine pauschale und unzweckmäßige Maximierung anzustreben. Zudem muss das Maximalkraftvermögen mit steigender Leistungsfähigkeit immer mehr für die spezifischen Bedingungen in der Wettkampfbewegung „umgewandelt“ werden.

Literatur
  1. Bompa, T. O. & Buzzichelli, C. A., (2019). Periodization. Theory and methodology of training. Champaign: Human Kinetics.
  2. Buckner, S. L., Jessee, M. B., Mattocks, K. T., Mouser, J. G., Counts, B. R., Dankel, S. J. & Loenneke, J. P. (2017). Determining strength: A case for multiple methods of measurement. Sports Medicine, 47 (2), 193-195.
  3. Harre, D. (2005). Kraftfähigkeiten. In: G. Schnabel, D. Harre, J. Krug, A. Borde (Eds.). Trainingswissenschaft - Leistung, Training, Wettkampf. Berlin: Sportverlag Berlin.
  4. Martin, D., Carl, K. & Lehnertz, K. (2001). Handbuch Trainingslehre. Schorndorf: Hofmann.
  5. Suchomel, T. J., Nimphius, S. & Stone, M. H. (2016). The importance of muscular strength in athletic performance. Sports Medicine, 46 (10), 1419-1449.
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