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Was heißt denn hier Talent?

Autor: Antje Hoffmann
Stand: 2017
Hintergrund

Ein „Top-Talent“ feiert seinen ersten ATP-Sieg im Tennis, eine Wirtschaftsvereinigung zeichnet „herausragende Talente mit Engagement“ aus, in Casting-Shows wird nach dem „Supertalent“ gesucht, Kinder- und Jugendtrainer schätzen oftmals auf der Grundlage ihrer Erfahrung, ihres Trainer-Auges, ein, ob ein Sportler talentiert oder untalentiert ist. Im Alltag und auch in der Sportwissenschaft und –praxis wird der Begriff „Talent“ sehr oft und wie selbstverständlich verwendet. In den Medien ist in diesem Zusammenhang auch oft von Wunderkindern oder Überfliegern die Rede. Aber verstehen alle dasselbe unter Talent? Was macht ein Talent aus? Ab wann und woran kann ich einschätzen, ob mein Sportler talentiert ist?


Antwort

Abb. 1: Talentpuzzle

Talent ist nicht mit Leistungsauffälligkeit oder Wettkampferfolgen gleichzusetzen. Ein Nachwuchsathlet verfügt über Talent oder Potenzial, wenn er die konditionellen, psychischen, kognitiv-taktischen, koordinativen und technischen „Rohmaterialien“ für spätere Spitzenleistungen mitbringt. Zudem braucht er die Bereitschaft, diese langfristig zu entwickeln und muss je nach Sportart über entsprechende körperbauliche Voraussetzungen verfügen, um im Elitebereich erfolgreich sein zu können. Allerdings können überdurchschnittliche Begabungen auch in diesem Stadium verbleiben – umgangssprachlich spricht man vom „ewigen Talent“. Um Begabungen in Spitzenleistungen zu „verwandeln“, bedarf es eines systematischen langjährigen Trainings und Entwicklungsprozesses. Bestimmte Umfeldfaktoren, wie z. B. die elterliche Unterstützung, das Sportsystem aber auch der Wohnort können diesen Prozess positiv oder negativ beeinflussen und damit die Entwicklung beschleunigen, bremsen oder gar verhindern. Nicht alle Merkmale, die später die Wettkampfleistung beeinflussen, sind direkt erkennbar. Es gibt Sportler, die trotz (noch) nicht hoch ausgeprägter Leistungsvoraussetzungen eine überdurchschnittliche Wettkampfleistung erreichen, also „aus wenig viel machen“. Dies wird auch als Utilisation oder Ausnutzungsgrad bezeichnet und ist im Talentpuzzle als Faktor X dargestellt (Abb.1). Eine Annahme ist, dass die noch nicht ausgeprägten Leistungsvoraussetzungen eine große Reserve für die weitere Entwicklung bieten.

Das Potenzial oder Talent eines Nachwuchsathleten kann nie allein durch das Niveau eines Puzzleteils (d.h. eines Talentmerkmals oder der Wettkampfleistung) beurteilt werden. Die Bedeutung der Merkmale ist von Sportart zu Sportart unterschiedlich. Selbst in einer Sportart können Nachwuchssportler mit unterschiedlicher „Zusammensetzung“ des Puzzles später erfolgreich sein. Auch juvenile Wettkampferfolge sind nur Momentaufnahmen und ihr Ausbleiben sollte kein Ausschlusskriterium in der Talentauswahl darstellen. Erst die Betrachtung der aktuellen Ausprägung und der Entwicklung möglichst aller Merkmale, der Wettkampfleistung und des Trainings ermöglicht eine Abschätzung des Entwicklungspotenzials eines Nachwuchsathleten. Vor oder während der Pubertät ist eine zuverlässige Einschätzung des Potenzials für Spitzenleistungen nicht möglich. Je näher der Auswahlzeitpunkt am Hochleistungsalter liegt, desto präzisere Prognosen über die Leistungsentwicklung können erfolgen. Das sollte bei allen Auswahl- und Fördermaßnahmen bedacht werden.

Zwischen der körperlichen und der Leistungsentwicklung besteht ein großer Zusammenhang. Je größer und biologisch reifer ein Athlet ist, desto größere Vorteile bringt er für eine Vielzahl von motorischen Aufgaben mit. Die körperliche und auch psychische Entwicklung verläuft jedoch individuell sehr unterschiedlich und ist sehr stark durch den Zeitpunkt der Pubertät geprägt. Deshalb sind einmalige Talentsichtungsmaßnahmen nicht sinnvoll.

Den größten Einfluss auf die körperliche Leistungsfähigkeit übt Training aus, d.h. ein Athlet mit vielen absolvierten Trainingsstunden bzw. hochwertiger Trainingsqualität wird mit großer Wahrscheinlichkeit in der Lage sein, kurzfristig höhere Leistungen zu erzielen - ohne notwendigerweise mehr Potenzial für Spitzenleistungen zu besitzen. Zwischen der körperlichen und der Leistungsentwicklung besteht ein großer Zusammenhang. Die körperliche und auch psychische Entwicklung verläuft jedoch individuell sehr unterschiedlich und ist stark durch den Zeitpunkt der Pubertät geprägt. Deshalb sind einmalige Talentsichtungsmaßnahmen nicht sinnvoll.

 


Handlungsempfehlungen

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Literatur
  1. Buekers, M., Borry, P. & Rowe, P. (2015). Talent in sports. Some reflections about the search for future champions. Movement & Sport Sciences - Science & Motricité, 88, 3-12.
  2. Hohmann, A. (2009). Entwicklung sportlicher Talente an sportbetonten Schulen. Schwimmen. Leichtathletik. Handball. Petersberg: Michael Imhof.
  3. Lidor, R., Côté, J. & Hackfort, D. (2009). ISSP Position Stand: To Test or Not to Test? The Use of Physical Skill Tests in Talent Detection and in Early Phases of Sport Development. International Journal of Sport and Exercise Psychology, 7 (2), 131-146.
  4. Meylan, C. & Cronin, J. B. (2014). Talent identification. In R.S. Lloyd & J.L. Oliver (Hrsg.), Strength and conditioning for young athletes - science and application (S.19-32). London, New York: Routledge.
  5. Wulff, J., Altmann, K., Walter, N., Fudel, R. & Hoffmann, A. (2016). DELTA. Situationsanalyse. Leipzig: Institut für Angewandte Trainingswissenschaft.
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