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Was hat Taktik eigentlich mit Talent zu tun?

Autor: Elisabeth Oehler
Hintergrund

Das Talentpuzzle erhebt den ganzheitlichen Anspruch an die Beurteilung und Beschreibung des Potenzials eines Nachwuchsathleten. Talent definiert sich demnach nicht nur nach dem Ausprägungsgrad einzelner Leistungsvoraussetzungen, sondern nach der Gesamtheit aller relevanten Leistungsfaktoren einer Sportart. Ein Teil des Talentpuzzles ist Taktik, also das Verhalten oder Handeln des Sportlers bzw. der Sportlerin oder Teams im Wettkampf mit dem das Wettkampfgeschehen oder der Spielverlauf unter Berücksichtigung des Gegnerverhaltens und weiterer Bedingungen, beeinflusst wird.


Antwort

Taktisches Handeln ist in jeder Sportart notwendig und ein Grundbaustein des sportlichen Handelns. Taktik kann ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung über Sieg und Niederlage sein. Nicht nur in Spielsportarten spielt Taktik eine besondere Rolle. Zweikampfsportarten, wie Ringen oder Judo erfordern taktisches Handeln, aber auch im Radsport, in der Leichtathletik oder beim Biathlon werden Sportler*innen mit Taktiken konfrontiert. So muss ein Ringer in der Lage sein, auf das Verhalten seines Gegners zu reagieren, sich zu verteidigen, und auch Techniken im richtigen Moment anzuwenden. Im Radsport muss der Fahrer taktische Entscheidungen treffen, wie er sich im Feld positioniert, ob er abreißen lassen muss oder sich einer Verfolgergruppe anschließt.

Von Taktik abzugrenzen ist jedoch die Strategie: Unter einer Strategie versteht man ein vorab festgelegtes Handlungskonzept, das zwar das Gegnerverhalten berücksichtigt, aber nicht zum eigenen Vorteil beeinflusst. Taktisches Handeln beruht vor allem auf dem Beurteilungs- und Entscheidungsvorgang in der konkreten Wettkampfsituation und hilft somit auch eine Strategie zu realisieren. Zum Beispiel ist die Auswahl der Reihenfolge von Läufer*innen in einer Staffel zur bestmöglichen Platzierung abhängig von den jeweiligen Gegner*innen im Starterfeld eine Strategie. Das Verhalten beispielsweise einer Langläuferin im Starterfeld, auf der Strecke und ihre Entscheidung, ob sie mit der führenden Gruppe mitläuft oder nicht oder sich sogar selbst von Gegnerinnen absetzt, um sie auf Distanz zu halten, ist hingegen als taktisches Handeln zu klassifizieren. Die Langläuferin muss somit in der Wettkampfsituation wahrnehmen wie sich ihre Gegnerinnen verhalten, eine Entscheidung über ihr eigenes Handeln treffen und dies dann anschließend ausführen.

Taktische Entscheidungen finden immer im Kontext der jeweiligen Situation des Wettkampfs oder Spiels statt. Die Situation ist niemals identisch und wird auf Grund von unterschiedlichen Faktoren wie die Qualität des Gegners, der Umweltbedingungen, der Wettkampfbedingung oder auch Punktedifferenz beeinflusst. Somit kann das taktische Handeln im Basketball und die jeweiligen Entscheidungen besonders in den letzten Minuten eines engen Spiels riskanter ausfallen, als wenn das Team bereits mit einem deutlichen Punktevorsprung führt.

Taktisches Handeln und Verständnis von Athlet*innen ist vor allem durch Erfahrungen erlernbar, so können erfahrene Sportler spezifische Muster in Spiel- oder Wettkampfsituationen besser erkennen, als weniger Erfahrene. Erfahrungen von Sportler*innen führen auch dazu, dass sie schneller eine richtige Handlung in der jeweiligen Wettkampfsituation aus verschiedenen Handlungsmöglichkeiten auswählen und anwenden können. Es hat sich zudem gezeigt, dass taktisches Verständnis auch sportartenübergreifend entwickelt wird, ein Handballspieler erkennt taktische Muster auch im Basketball oder anderen verwandten Sportarten. Blickbewegungsstrategien sind bei erfahrenen Athleten anders ausgeprägt als bei Anfängern in der jeweiligen Sportart. Zudem zeichnen sich überdurchschnittliche Sportler*innen dadurch aus, dass sie Handlungsabsichten ihrer Gegner gedanklich bereits vorwegnehmen können, also antizipieren und auch die Entscheidungsprozesse für sportliche Handlungen erheblicher schneller ablaufen.


Handlungsempfehlungen

Taktische Leistungsvoraussetzungen können vor allem durch Verhaltensbeobachtungen im Wettkampf und einer anschließenden Analyse der Beobachtungsdaten erfasst werden. In der Talentsichtung ist der Einbezug von Taktik jedoch nur sinnvoll, wenn zum einen die Trainings- und Wettkampferfahrungen des Athleten/der Athletin berücksichtig werden, und zum anderen eine Beurteilung nur im Zusammenhang mit weiteren Faktoren wie Technik, Kondition und Psyche erfolgt. Vor allem Videoanalysen eignen sich für die Diagnostik von taktischem Handeln. Um taktisches Handeln bei Nachwuchsathlet*innen zu entwickeln und zu fördern, müssen sowohl wahrnehmungsgebundene, als auch intellektuelle Prozesse im Trainingsprozess angeregt werden. Taktik kann vor allem durch kognitiv sowie sportpraktisch akzentuiertes Training, indem Wahrnehmen und Entscheiden im Mittelpunkt stehen, verbessert werden.

Literatur
  1. Büsch, D., Schorer, J., & Raab, M. (2017). Taktik und Taktiktraining. In: Hottenrott, K. & Seidel I. (Hrsg.) Handbuch Trainingswissenschaft - Trainingslehre , S. 291-302; Schorndorf: Hofmann-Verlag.
  2. König, S., & Memmert, D. (2020). Taktik und Taktiktraining im Sport. In: Güllich A., Krüger M. (Hrsg) Bewegung, Training, Leistung und Gesundheit : Handbuch Sport und Sportwissenschaft, S. 1-17; Berlin, Heidelberg: Springer.
  3. Raab, M., Zastrow, H., & Lempertz, C. (2007). Wege zur Spielintelligenz. Köln: Sport-verl. Strauß.
  4. Zentgraf, K., & Munzert, J. (2014). Kognitives Training im Sport. Göttingen: Hogrefe.
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