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Warum ist die Erfassung von Verletzungsdaten entscheidend für eine erfolgreiche Verletzungsprävention?

Autor: Florian Frohberg, Judith Hesse, Juliane Wulff
Stand: 2023
Hintergrund

Die positiven Effekte von Sport auf die Gesundheit, die motorischen Fähigkeiten, die Psyche und das Sozialverhalten sind allgemein bekannt. Nichtsdestotrotz kann das Sporttreiben mit einem erhöhten Verletzungsrisiko einhergehen. Chronische und akute Sportverletzungen stellen im (Nachwuchs-)Leistungssport ein erhebliches Problem dar, da sie nicht nur die sportliche Leistung beeinträchtigen, sondern auch zu längeren Ausfallzeiten und im schlimmsten Fall zum Drop-Out und dem Karriereende führen können. Daher ist die Vermeidung bzw. Reduzierung von Sportverletzungen von zentraler Bedeutung. Vielfältige Übungs- und Präventionsprogramme zeigen hierbei bereits großes Potential. Welche Kenntnisse sind vor der Durchführung von Präventionsmaßnahmen notwendig, um Sportverletzungen zielgerichtet vorbeugen zu können?


Antwort

Um zielgerichtete präventive Maßnahmen zu planen, sollten zunächst aufgetretene Verletzungen systematisch erfasst und ausgewertet werden. Die Verletzungsüberwachung im Sport ist dabei ein fortlaufender Prozess, wobei nicht nur die bloßen Verletzungen von Athlet*innen dokumentiert werden, die während des Trainings oder Wettkampfs auftreten, sondern auch die Umstände, unter denen sie aufgetreten sind.


Vorteile einer systematischen Verletzungsdokumentation

Die Analyse der Verletzungsdaten ermöglicht das Erkennen von Mustern und Trends, die auf potentielle Risikofaktoren hinweisen. So kann beispielsweise festgestellt werden, ob alters-, geschlechts- oder disziplinspezifische Unterschiede vorliegen, ob bestimmte Verletzungen häufiger im Training oder Wettkampf auftreten, oder, ob bestimmte Körperbereiche anfälliger für Verletzungen sind. Diese Erkenntnisse können dazu beitragen, gezielte Präventionsmaßnahmen abzuleiten.

Weiterhin ist die Erfassung von Verletzungsdaten sinnvoll für eine verbesserte medizinische Versorgung von Athlet*innen. Bestimmte Verletzungsmuster oder -arten können darauf hinweisen, dass ein strukturelles oder funktionelles Problem vorliegt. In solchen Fällen können Physiotherapeut*innen und Ärzt*innen gezieltere Untersuchungen durchführen, um die zugrundeliegenden Ursachen zu identifizieren.


Definition von Verletzungen

Zunächst muss festgelegt werden, was als „Verletzung“ verstanden wird. Hierfür gibt es in der Literatur keine einheitliche Definition. Vielmehr werden drei mögliche Einordnungen empfohlen, die von einer sehr engmaschigen- bis eher breiten Betrachtung reichen. So werden Verletzungen als solche verstanden, wenn sie zu Beschwerden führen, sie medizinische Versorgung benötigen oder wenn sie einen Trainings- bzw. Wettkampfausfall von mindestens 24 Stunden nach sich ziehen. Die Wahl der Definition sollte letztlich die Ziele und den Kontext der Überwachung widerspiegeln.


Wichtige Verletzungsparameter

Die Erfassung des Verletzungsgeschehens sollte nach standardisierten Kriterien erfolgen, um die Erhebung relevanter Verletzungsparameter zu gewährleisten und die Vergleichbarkeit der Daten zu ermöglichen. Das Internationale Olympische Komitee hat hierzu einen Standard geschaffen, um Verletzungen systematisch zu erfassen. Empfohlen wird die Dokumentation folgender Parameter:

  • Verletzungsdatum: An welchem Tag hat sich der Athlet oder die Athletin verletzt?
  • Art der Verletzung: Welche Art von Verletzung ist aufgetreten (z. B. Muskelfaserriss, Knochenbruch)?
  • Betroffene Körperregion: An welcher Stelle ist die Verletzung aufgetreten (z. B. Knie, Schulter)? Auf welcher Körperseite ist die Verletzung aufgetreten?
  • Ausfallgrund: Handelt es sich um eine akute Verletzung oder chronische Überbeanspruchung?
  • Erst-/Rezidivverletzung: Handelt es sich um eine Erst- oder Folgeverletzung?
  • Verletzungsanlass: Wann ist die Verletzung aufgetreten (Training, Wettkampf, Freizeit)?
  • Verletzungsmechanismus: Durch welcher Situation (Kontaktverletzung, indirekte Kontaktverletzung, Non-Kontaktverletzung) wurde die Verletzung hervorgerufen?
  • Rückkehr zur Belastung: Wann konnte der Athlet oder die Athletin wieder ins Training einsteigen und wann konnte er oder sie wieder am Wettkampf teilnehmen?
  • Ausfalldauer: Wie lange musste der Athlet oder die Athletin aufgrund der Verletzung pausieren? Daraus leitet sich zudem die Verletzungsschwere ab.

Abbildung 1: Erfassung der relevanten Verletzungsdaten


Darüber hinaus sollten weitere personenbezogene Daten erfasst werden, um eine sinnvolle Auswertung zu ermöglichen. Hierzu gehören neben den Informationen zur Verletzung selbst, Angaben zum Alter des Athleten oder der Athletin, das Geschlecht, die Sportart/Disziplin und der Kaderstatus.

Für eine optimale Umsetzung sollte sichergestellt sein, dass das Verfahren der Erfassung von Verletzungsdaten allen entsprechenden Personen bekannt ist und von allen Beteiligten konsequent durchgeführt wird. Um die Eingabe der Daten sowie die Darstellung der Ergebnisse zu erleichtern, können spezielle Tools (siehe unten) heruntergeladen und genutzt werden.


Abbildung 2: Dashboard zu den erfassten Verletzungsparametern

Beachte!

Ein wichtiger Aspekt ist der Datenschutz. Es sollte sichergestellt werden, dass die Verletzungsdaten nur von denjenigen Personen eingesehen werden können, die sie auch tatsächlich benötigen. Hierzu sollten geeignete Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden, um den Zugriff auf die Daten zu kontrollieren und zu beschränken.

 


Handlungsempfehlungen

Nutze ein standardisiertes Formular für die Verletzungsdokumentation, das alle oben beschriebenen Daten enthält. Stelle sicher, dass alle relevanten Personen (Trainer*innen, medizinische Fachkräfte und sonstige Teammitglieder) über das Formular und den Zweck der Verletzungsdokumentation informiert sind.

Sensibilisiere die Athlet*innen, alle Verletzungen oder Beschwerden unverzüglich zu melden, damit sie schnell dokumentiert werden können. Dokumentiere alle Verletzungen und Beschwerden, auch wenn sie zunächst nicht schwerwiegend erscheinen. Kleine Verletzungen können sich zu größeren Problemen entwickeln, wenn sie nicht richtig behandelt werden.

Sensibilisiere die Athlet*innen auch dahigehend, dass Verletzungen ein natürlicher Bestandteil des Sports sind. Es ist wichtig, dass Athlet*innen verstehen, dass das Melden von Verletzungen oder Beschwerden keine Schwäche darstellt.

Analysiere regelmäßig die Verletzungsdaten, um Muster und Trends zu erkennen und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um das Verletzungsrisiko zu reduzieren. Hierzu können beispielsweise individuelle Trainings- und Regenerationspläne entwickelt werden, um Überbelastungen zu vermeiden und Verletzungen vorzubeugen.

Stelle sicher, dass alle Verletzungsdaten sicher und vertraulich gespeichert werden, um den Datenschutz der Athlet*innen zu gewährleisten.

Literatur
  1. Bahr, R., Clarsen, B., Derman, W., Dvorak, J., Emery, C. A., Finch, C. F. et al. (2020). International Olympic Committee consensus statement: methods for recording and reporting of epidemiological data on injury and illness in sport 2020 (including STROBE Extension for Sport Injury and Illness Surveillance (STROBE-SIIS)). British Journal of Sports Medicine, 54(7), 372-389.
  2. Ekegren, C. L., Gabbe, B. J. & Finch, C. F. (2016). Sports Injury Surveillance Systems: A Review of Methods and Data Quality. Sports Med, 46(1), 49-65.
  3. Seil, R., Tischer, T., Besenius, E., Freiwald, J., Gokeler, A., Grimm, B. et al. (2020). Primärprävention von Sportverletzungen.
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