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Prädiktoren für den Sprint im Skilanglauf: Was charakterisiert einen Sprinter?

Autor: Johann Stöhr
Hintergrund

Aufgrund der erheblichen Bedeutung aerober Kapazitäten, die sich im Verlauf eines Sprintrennens im Skilanglauf noch verstärken, erscheint der Begriff Sprint aus physiologischer Sicht etwas irreführend. Dennoch sollte beachtet werden, dass die anaerobe Kapazität für die Sprintleistung (gerade im Prolog) ebenso von großer Wichtigkeit ist. Pacing Strategien (Renntaktik) stehen in hohem Maße mit der Verteilung der anaeroben Energiereserve in Zusammenhang. Ein wesentlicher Leistungsfaktor bei sportlichen Wettkämpfen ist die effiziente Nutzung dieser Energieressourcen. Skiläufer mit einer großen Muskelmasse haben einen Vorteil bei hochintensiven Sprint-Wettkämpfen. Zudem haben Sprinter aufgrund des Wettkampfformats und der daraus resultierenden Rennanforderungen einen höheren Body-Mass-Index als Distanzläufer. Es ist auch wichtig, dass jeder Skiläufer ein optimales Verhältnis von Muskelmasse zu Körpermasse bzw. Körperhöhe besitzt (Kraft-Last-Verhältnis). Ab einer gewissen Zunahme der Muskelmasse können die auftretenden Widerstände nicht mehr optimal überwunden werden. Darüber hinaus scheint das Gesamtvolumen des Kraft- und Geschwindigkeitstrainings bei Sprintern höher zu sein.


Antwort

Aerobe und anaerobe Faktoren

Neuromuskuläre (die Ansteuerung betreffend) und anaerobe Eigenschaften, insbesondere zu Beginn von Langlaufsprint-Wettkämpfen (Prolog und Viertelfinals) sind enorm wichtig. Sprinter sollten ihr neuromuskuläres System entwickeln, um Kraft und anaeroben Stoffwechsel auf einem Niveau zu generieren, das die Qualifikation für das Viertelfinale sicherstellt, denn beim Sprint beträgt das Verhältnis zwischen aeroben und anaeroben Energiestoffwechsel ca. 70 % zu 30 %.

Aerobe Eigenschaften werden umso wichtiger, je länger der Wettkampf im Langlauf-Sprint dauert, deshalb sollten Skiläufer auch ihr kardiorespiratorisches System (Herz und Atmung betreffend) hinreichend trainieren, um Sauerstoff angemessen transportieren und nutzen zu können, und um die zweckmäßige Regeneration von Heat zu Heat sicherzustellen. Zudem scheint eine aktive Erholung mit rund 20 min zwischen den Heats optimal zu sein. Regenerationszeiten unter 20 min wirkten sich negativ auf den nächsten Heat aus.


Pacing Strategien

Pacing Strategien stehen in hohem Maße mit der Verteilung der anaeroben Energiereserve in Zusammenhang. Um eine optimale Nutzung der anaeroben Kapazität zu sichern, sollten die Athleten daher mit ihren Kräften haushalten. Dazu ist es hilfreich Abfahrten, Senken und Flachstücke für die anaerobe Erholung zu nutzen, um in den entscheiden Rennabschnitten, wie dem letzten Anstieg oder Übergang und der Zielgeraden, genügend schnellkräftige Reserven zur Verfügung zu haben.


Technik und Koordination

Leistungsunterschiede bei hohen Geschwindigkeiten basieren vorrangig auf technischen und koordinativen Fähigkeiten. Die Zyklencharakteristik und die zeitliche Koordination von Teilimpulsen innerhalb jedes Zyklus sind bestimmend. Entscheidend sind lange Zykluslängen bei hohen Zyklusraten, wobei im Skating die Zykluslänge und im Klassischen die Zyklusrate wichtiger ist. Skiläufer mit ausreichend ausgeprägten Kraftfähigkeiten, die jedoch nicht gut koordiniert sind, werden im Vergleich zu Skiläufern mit geringeren Kraftfähigkeiten, aber einer gut koordinierten Technik die gleiche oder eine geringere Sprintleistung erzielen.

Insbesondere der Eintakt im Skaten und die klassische Doppelstock-Technik sind die meistgenutzten Teiltechniken der heutigen Rennen. Diese Techniken erfordern eine gut entwickelte Kraft des Oberkörpers und Rumpfes. Daher scheint es wichtig, ein spezifisches Oberkörper- und Rumpftraining durchzuführen.


Kraft- und Schnelligkeitsfähigkeiten

Die sportspezifische Leistungsfähigkeit des Oberkörpers und die anaerobe Ökonomie des Skilanglaufs sind die wichtigsten Leistungsfaktoren für den Sprint. Deshalb sollte das spezifische Oberkörpertraining und das Skitraining bei hohen Geschwindigkeiten bevorzugt für den Sprint genutzt werden, denn beim Skilanglauf-Sprint ist aufgrund der um ca. 20 % höheren Durchschnittsgeschwindigkeiten und der sehr hohen intermittierenden Belastung ein höheres Maß an Kraft erforderlich als beim Distanzlauf. Man ist sich allgemein einig, dass stärker nicht unbedingt besser ist, wenn es darum geht, die Leistung beim Sprint im Langlauf zu optimieren. Für Skiläufer, die bereits ein hohes Kraftniveau haben, könnte das übergeordnete Ziel darin bestehen, die maximale Kraft aufrechtzuerhalten und andere physiologische oder technische Mechanismen zu verbessern.


Schlussfolgerung: Der "ideale Sprinter"

Ein Mix aus großer aerober Ausdauer und hoher anaerober Spritzigkeit sowie ein hohes Maß an Maximal- und Schnellkraft, das in einer perfekt koordinierten Technik resultiert, könnten Schlüsselfaktoren für einen idealen Sprintertyp im Skilanglauf sein. Zudem weiß der Athlet, wann und wo er seine Stärken im Verlauf eines Rennens auf der Strecke einzusetzen hat bzw. er sich bewusst schont.


Handlungsempfehlungen

Nutze semi- bzw. spezifisches Krafttraining auch im Ski- und Rollskitraining, um die Kraftimpulse für möglichst lange Zykluslängen zu steigern und achte darauf, welche Athleten über ein besonders stark ausgeprägtes Niveau verfügen.

Nutze Maximalkrafttraining, um die anaerobe Kapazität deiner Athleten zu verbessern. Athleten mit großen anaeroben Fähigkeiten weisen in der Regel auch höhere absolute Kraftwerte auf

Sprintstarke Athleten zeigen eine gut koordinierte Technik und erreichen dadurch höhere Geschwindigkeiten. Beziehe daher Ski- und Rollskitraining bei hohen Geschwindigkeiten in flachem und leicht kopiertem Gelände mit verringertem Widerstand ein, um die Koordination und Bewegungsschnelligkeit zu erhöhen.

Ein hohes Maß kognitiver Fähigkeiten und eine besseres Taktikverständnis zeichnen ideale Sprintertypen aus. Besprich darum die Pacing Strategy/Renntaktik mit deinem Athleten vor dem Start und verdeutliche ihm die Schlüsselstellen der Strecke

Literatur
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