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Mobile Sprunghöhenbestimmung – wie können Trainer*innen sie mit Hilfe von Apps und Sensoren umsetzen?

Autor: Marcus Schmidt & Johanna Ochs
Stand: 2021
Hintergrund

Die Bestimmung der Sprunghöhe wird von Trainingswissenschaftler*innen und Trainer*innen genutzt, um daraus Aussagen über die Sprungkraft von Sportler*innen abzuleiten. Die Sprunghöhenbestimmung wird dabei in der Regel im Rahmen einer biomechanischen Leistungsdiagnostik durchgeführt. Als Goldstandard gelten kamerabasierte Messungen, 3-D-Bewegungsanalysen (3-D Motion Capturing) oder der Einsatz von Kraftmessplatten, mit deren Hilfe über den Impuls oder die Flugzeit die Sprunghöhe bestimmt wird. Bei der kamerabasierten Messung wird die Lage des Körperschwerpunkts direkt gemessen und aus der Lage zum Absprungzeitpunkt und höchstem Punkt die Sprunghöhe berechnet. Hierbei handelt es sich um die genauste Möglichkeit der Höhenbestimmung. Die Sprunghöhenbestimmung mittels Kraftmessplatten und dem Einsatz des Impulsmessverfahrens zeigen, dass die Sprunghöhe um ca. 1,5 cm bei einer Sprunghöhe von 30-50 cm unterschätzt wird. Eine weitere Berechnungsmöglichkeit zur Sprunghöhenbestimmung ist die Berechnung über die gemessene Flugzeit. Diese führt jedoch zu einer Unterschätzung der Sprunghöhe von bis zu 4,5 cm bei einer Sprunghöhe von 30-50 cm. Beide Messmethoden werden im Labor durchgeführt, in dem die Sportler*innen nacheinander ihre Tests durchführen können. Diese Methoden haben sich bewährt und sind wissenschaftlich vielfach geprüft worden. Doch diese Art der Messung und Leistungsdiagnostik ist entsprechend zeitaufwendig, kostenintensiv und räumlich begrenzt, da sie in der Regel im Labor stattfindet. Die Messplätze müssen dazu aufgebaut werden und die Datenauswertung ist entsprechend zeitaufwendig.

Doch kann man durch Apps und Sensoren eine mobile Sprunghöhenmessung durchführen?


Antwort

Alternativen Apps und Wearables

Auf dem Markt gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Apps und Wearables zur Sprunghöhenbestimmung. Diese sind auf den ersten Blick einfach zu bedienen, sind überall einsetzbar und nicht so aufwendig in der Datenauswertung wie die oben genannten Methoden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass für jede App und jedes Wearable zu prüfen ist, ob eine Validierung für den Anwendungszweck und die Situationen, in der Hilfsmittel angewendet werden wollen, vorhanden ist.


Wie gut eignen sich Apps?

Die meisten Apps zur Sprunghöhenmessung nutzen das Flugzeitverfahren. Dieses Verfahren führt meist zu einer Unterschätzung der Sprunghöhe und läuft wie folgt ab. Es muss ein Video von dem durchgeführten Sprung aufgenommen und in die App geladen werden. In der App muss durch den Anwender oder die Anwenderin der Absprung- sowie der Landezeitpunkt möglichst genau bestimmt und markiert werden. Genau hier liegt auch die größte Fehlerquelle in der Anwendung. Sobald der Anwender oder die Anwenderin nur ein Bild im Video danebenliegt, also nicht die richtigen Zeitpunkte (letzter Bodenkontakt vor Lösen der Füße vom Boden sowie erster Landekontakt) definiert, ist eine Abweichung von ca. 8 % in der Messung vorhanden (bei einem 50-Hz-Video und einer Flugzeit von 0,5 s). Bei Flugzeiten, die länger als 0,5 s dauern, bei gleicher Videofrequenz wird der Fehler prozentual gesehen kleiner. Der Fehler wird auch kleiner, wenn eine höhere Frequenz des Videos vorliegt.

Insgesamt eignen sich Apps grundsätzlich zur Sprunghöhenbestimmung, wenn die Anwender*innen einige Punkte und mögliche Fehlerquellen berücksichtigen. Die Bestimmung der Sprunghöhe basierend auf der Flugzeit führt zu Unterschätzungen. Um mögliche Fehler in der Messung zu minimieren, sind einige Punkte in der Anwendung zu beachten. So sollte das Video in möglichst hoher Frequenz aufgenommen werden. Zur besseren Festlegung der relevanten Zeitpunkte (Absprung/Landung) im Video sollte das Videobild auf den Bereich der Füße fokussiert werden. Generell sollte man die Ergebnisse dieser Messungen aus den Apps nicht mit anderen Ergebnissen von anderen Messmethoden vergleichen, da durch die verschiedenen Fehlerquellen verschiedene Ergebnisse selbst bei einem*r Sportler*in entstehen können.


Wie gut eigenen sich Wearables?

Wearables sind körpernahe Sensoren, welche die Ableitung biomechanischer Einflussgrößen ermöglichen. Zur Sprunghöhenbestimmung wird dabei in der Regel auf Daten von Beschleunigungssensoren zurückgegriffen. Diese messen durchgehend ein Beschleunigungssignal des Sportlers oder der Sportlerin und suchen mittels Algorithmus den Absprung- und Landezeitpunkt in der Bewegung. Aus diesen Punkten wird dann die Sprunghöhe, ebenfalls auf Basis der Flugzeit, durch das System berechnet. Die exakten Algorithmen werden von den Herstellern jedoch nicht im Detail angegeben, sodass nicht klar ist, ob ein systematischer Fehler vorhanden ist und möglicherweise in die Ergebnisse eingerechnet wurde. Weiterhin variiert die Messgenauigkeit von Sportler*in zu Sportler*in. Grund hierfür ist, dass individuelle Bewegungsabläufe von einzelnen Personen oft nicht exakt durch die Algorithmen abgebildet werden können. Für die Messgenauigkeit ist wesentlich, wo der Sensor am Körper angebracht wird. So haben Untersuchungen gezeigt, dass Sensoren, welche bodennah, also beispielsweise am Sprunggelenk, angebracht wurden, eine höhere Messgenauigkeit durch alle Kenngrößen hinweg aufweisen, als Sensoren, welche in den oberen Körperregionen angebracht werden. Grund für die größeren Messungenauigkeiten der höher angebrachten Sensoren ist, dass das Beschleunigungssignal durch die aktiven und passiven Strukturen des menschlichen Körpers während der Bewegung gedämpft wird.

Unabhängig der verschiedenen möglichen Messfehler, sollte bei der Nutzung der Sensoren immer geprüft werden, wie diese validiert worden sind. Dies sollte von den Herstellern angegebenen sein, im Idealfall durch die Auflistung von wissenschaftlichen Publikationen. Ist ein System beispielsweise für den Counter Movement Jump validiert worden, wird in der Praxis aber für Sprungwürfe im Basketball oder einen Sprung zum Block im Volleyball genutzt, kann davon ausgegangen werden, dass die berechneten Sprunghöhen von der Realität abweichen, da das System in der praktischen Anwendung anders genutzt wird, als vom Hersteller vorgesehen. Damit kann in einem solchen Fall nicht von validen Ergebnissen gesprochen werden.

Es lässt sich festhalten, dass Sensoren grundsätzlich zur Sprunghöhenbestimmung genutzt werden können. Bei der Nutzung sollte bedacht werden, ob der Anwendungsbereich passend ist. Weiterhin sollte geprüft werden, wie die Sensorik am Körper des Sportlers oder der Sportlerin platziert wird und im Vorfeld recherchiert werden, wie und ob die Validierung der verwendeten Sensoren erfolgte. Am Ende sind mögliche Messfehler dabei zu berücksichtigen und können ggf. herausgerechnet werden. Falls möglich, empfiehlt sich, eine individuelle Anpassung/Kalibrierung vorzunehmen, um die Messgenauigkeit pro Athlet zu erhöhen. So können in jedem Fall die erzielten Ergebnisse einer Person zu verschiedenen Messzeitpunkten sehr gut miteinander verglichen werden, während Vergleiche zwischen Personen nur limitiert möglich sind.


Handlungsempfehlungen

Wenn du Apps oder Sensoren zur Sprunghöhenbestimmung nutzt, prüfe, ob und wie diese validiert sind und ob sie sich für deinen Anwendungszweck eignen.

Bei der Verwendung von Apps achte darauf, dass dein Video eine möglichst große Aufnahmefrequenz hat und der Sprung-/Landeort fokussiert wird.

Bei der Nutzung von Sensoren achte auf die Anbringung am Körper und ob du möglicherweise individuelle Anpassungen vornehmen kannst.

Vergleiche die Ergebnisse von Sportler*innen untereinander nicht oder nur sehr vorsichtig.

Vergleiche die Ergebnisse aus einer Messmethode nicht mit Ergebnissen aus anderen Messmethoden. Die Ergebnisse sind mit einer hohen Wahrscheinlichkeit verschieden.

Literatur
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