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Mit Köpfchen zum Erfolg! Woher weiß ich, welche psychischen Faktoren in meiner Sportart entscheidend sind?

Autor: Nico Walter
Stand: 2017
Hintergrund

„Ach Britta, wenn man an deinem Kopf nur einen Knopf hätte, den man ausschalten kann und du einfach nur schwimmen würdest“, zitiert die Olympiasiegerin Britta Steffen ihre damalige Nachwuchstrainerin. Die Bedeutung psychischer Faktoren wie Willensstärke, Selbstvertrauen oder Zielsetzung für eine erfolgreiche Talententwicklung sind bei Trainern und Wissenschaftlern unumstritten. Will man sie diagnostizieren, stößt man trotz vorhandener sportartübergreifenden Fragebögen an Grenzen. Denn oftmals ist nicht klar, welche psychischen Faktoren und deren Ausprägungen speziell in einer Sportart bzw. Disziplin Weltspitzenleistungen bestimmen. Im Boxen sind beispielsweise aufgrund der spezifischen Besonderheiten (z. B.: hohe Individualität, Kampfsituation mit Gegnerkontakt) andere psychische Faktoren relevant als im Volleyball. Zeigt ein Athlet eine hohe Willensstärke in Zweikampfsituationen, bedeutet das nicht zwingend, dass er dieselbe Willensstärke auch in alltäglichen Situationen aufbringt. Die Aussagekraft allgemeiner sportartübergreifender oder sportfremder Fragebögen ist eingeschränkt. Um aussagekräftige psychische Faktoren in die Talententwicklung einzubeziehen und Athleten wie Britta Steffen auf dem Weg an die Spitze optimal zu fördern, müssen deshalb sportartspezifische psychische Anforderungsprofile (mit Blick auf die Weltspitze) erarbeitet werden.


Antwort

Eine Möglichkeit, relevante sportartspezifische psychische Faktoren zu bestimmen, bietet das Performance Profiling.


Informationen sammeln

Frage Elitetrainer und Eliteathleten, welche psychologischen Faktoren einen international erfolgreichen Sportler in deiner Sportart auszeichnen. Sie sollen dabei den jeweiligen Faktor (z.B.: Eigenschaften wie Motivation oder Fertigkeiten wie Zielsetzung) nennen und ein Verhaltens-/ Situationsbeispiel aufschreiben, das diese möglichst genau beschreibt. Im Boxen könnte beispielsweise ein Trainer „Durchsetzungsvermögen“ mit folgendem Verhalten beschreiben: „Manchmal taumelt man durch einen Wirkungstreffer am Kopf oder am Körper. Der Boxer steckt das aber weg und gibt alles, um den Kampf zu gewinnen“. Möchtest Du auch noch wissen, wie wichtig diese Faktoren im Training, Wettkampf oder auch bereits im Nachwuchsbereich sind, kannst Du, nachdem alle wichtigen Faktoren genannt wurden, die Antworten zusätzlich für den jeweiligen Bereich von 1 (nicht so wichtig) bis 10 (extrem wichtig) bewerten lassen. Befrage mindestens 10 Experten, um ein aussagekräftiges Bild zu erhalten. Du solltest dabei etwa 20 Minuten pro Experte einplanen.


Mit Köpfchen zum Erfolg! Woher weiß ich, welche psychischen Faktoren in meiner Sportart entscheidend sind?

Tabelle 1: Beispielhafte Erarbeitung der Kategorien für das Performance Profil

Antworten übersetzen

In der Umgangssprache existieren zahlreiche Begriffe, die dieselben psychischen Faktoren beschreiben (z.B.: Willensstärke, Durchsetzungsvermögen, Beharrlichkeit, Entschlossenheit, usw.). „Übersetze“ die Antworten deshalb nach einem definierten Muster. Sportpsychologen können Dir dabei helfen, die Antworten in psychologische Konstrukte einzuordnen (z. B.: Volition). Ordne die Expertenantworten entsprechend Deiner „Übersetzung“.


Beispiele sortieren und die Sportspezifik kennzeichnen

Nach dem Du eine erste Ordnung geschaffen hast, solltest Du die Beispiele sortieren. Welche drücken dasselbe Verhalten in ähnlichen Situationen aus? Die Bewertung der Bedeutung für das Training sowie für den Wettkampf können dabei hilfreich sein. Bestimme somit die Faktoren, die Deine Sportart kennzeichnen und beschreibe sie durch die konkreten Verhaltensbeispiele (z. B. für das obere Beispiel „absoluter Siegeswille im Kampf“).


Psychisches Anforderungsprofil ableiten

Die Häufigkeit der Nennungen gibt Dir Auskunft über die wichtigsten psychischen Faktoren in deiner Sportart. Je mehr Experten denselben Faktor genannt haben, desto bedeutender schätzen sie diesen für Weltspitzenleistungen ein.


Handlungsempfehlungen

Um ein vollständiges Bild für die Talententwicklung zu erhalten, frage nicht nur nach den Faktoren, die Eliteathleten auszeichnen, sondern auch nach denen, die auf dem Weg an die Spitze von Bedeutung sind.

Frage nicht nur nach Faktoren, die die Leistung positiv beeinflussen, sondern auch nach Faktoren, die die Leistung hemmen können.

Für eine Talentauswahl anhand von psychischen Faktoren fehlen derzeit in vielen Sportarten die Belege. Erfasse psychische Faktoren deshalb vor allem mit dem Ziel, Stärken und Schwächen abzuleiten, um sie im Training (evtl. mit der Unterstützung

eines Sportpsychologen) zu verbessern.

Nutze die Verhaltensbeispiele, um die psychischen Faktoren sportartspezifisch zu erfassen (Verhaltensbeobachtungsbogen).

Literatur
  1. Beier, G. (1999). Bedeutung psychologischer Tests zur Talenterkennung im Nachwuchsleistungssport. Leistungssport, 29 (6), 48-52.
  2. Kellmann, M. & Kopczynski, S. (2006). Entwicklung und Einsatz eines sportpsychologischen Anforderungsprofils im Rudersport. Bonn: Bundesinstitut für Sportwissenschaft.
  3. MacNamara, Á. & Collins, D. (2015). Profiling, exploiting and countering psychological characteristics in talent identification and development. The Sport Psychologist, 29 (1), 73-81.
  4. Seidel, I. (2005). Nachwuchsleistungssportler an Eliteschulen des Sports. Analyse ausgewählter Persönlichkeitsmerkmale. Köln: Sport und Buch Strauß.
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