Mit Köpfchen zum Erfolg - Trainierbar oder Typfrage?
Stand: 2022
Die Rolle der Psyche für sportliche Spitzenleistungen gewinnt immer mehr an Bedeutung: Gold scheint man auch im Kopf zu gewinnen. Aussagen von Trainer*innen wie: Sie ist einfach ein Gewinnertyp – mental stark, wenn es darauf ankommt! deuten auf bestimmte Eigenschaften hin, die mit sportlichen Höchstleistungen in Verbindung stehen. Sind die entscheidenden psychologischen Leistungsfaktoren tatsächlich stabile Persönlichkeitseigenschaften – also eher Typfrage – oder sind diese trainierbar?
Zusammenfassend gilt: Sowohl trainierbare psychologische Skills als auch stabile Persönlichkeitseigenschaften sind für die individuelle Entwicklung von jungen Sportler*innen und deren Leistungsfähigkeit wichtig.
Trainierbar: Psychologische Skills
Ein Teil der psychologischen Faktoren, die erfolgreiche Sportler*innen auszeichnen und sie eventuell von weniger erfolgreichen Athlet*innen unterscheiden, werden als trainierbar angesehen.
Sportpsychologisches Training kann beispielsweise…
- den Umgang mit Druck und Angst durch den Einsatz von Visualisierungstechniken oder Selbstinstruktionen unterstützen.
- die Motivation von Sportler*innen positiv beeinflussen, beispielsweise mit Hilfe von Zielsetzungstraining.
- die volitionalen Komponenten (Willensstärke) durch Training der Aufmerksamkeitssteuerung verbessern.
- die Selbstkompetenz stärken und damit ein Bewusstsein für die eigenen Stärken, Schwächen und Wünsche entwickeln.
- die Erholungsfähigkeit durch autogenes Training oder progressive Muskelentspannung positiv beeinflussen.
Typfrage: Persönlichkeitseigenschaften
In der Wissenschaft gibt es widersprüchliche Befunde zu dem Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und sportlicher Leistung. Eine mögliche Verbindung ist in jedem Fall von der ausgeübten Sportart abhängig (z. B. Mannschaftssport vs. Individualsportart).
Je nach Sportart gelten erfolgreiche Athlet*innen häufig als…
- extrovertiert (d.h. nach außen gerichtet, aufgeschlossen) und emotional stabil. Sie sind am Austausch und Handeln innerhalb einer sozialen Gruppe interessiert und können mit Misserfolgen oder Rückschlägen umgehen.
- verträglich (Interesse an Kooperation und sozialer Harmonie) und sind somit vertrauensvoll und nachsichtig.
- gewissenhaft, sind somit zuverlässig und haben stets ein Ziel vor Augen.
Unterstütze Deine Athlet*innen in der Entwicklung von psychologischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, indem Du Dich auf dem Gebiet der Sportpsychologie weiterbildest und den Sportler*innen bereits im Nachwuchsbereich regelmäßig freiwillige sportpsychologische Betreuungermöglichst. Diese Betreuung durch zertifizierte Sportpsycholog*innen dient nicht nur der sportlichen Leistung, sondern auch der individuellen Persönlichkeitsentwicklung der jungen Sportler*innen.
Psychologische Fähigkeiten oder Persönlichkeitsmerkmale sollten von Sportpsycholog*innen erfasst werden, um Entwicklungspotentiale der Sportler*innen darzustellen (z.B. Stärken-Schwächen-Profil) und damit die Grundlage für sportpsychologisches Training und individualisierte Unterstützung zu bilden.
Diese Fähigkeiten und Merkmale dürfen jedoch nicht in Auswahlentscheidungen einbezogen werden. Einerseits kann kein klarer Zusammenhangmit späterer sportlicher Leistung nachgewiesen werden, andererseits sind psychische Prozesse insbesondere im Kindes- und Jugendalter immer wieder im Umbruch und werden beispielsweise durch das Umfeld beeinflusst.
- Hänsel, F., Baumgärtner, S. D., Kornmann, J., & Ennigkeit, F. (2016). Persönlichkeit. In Sportpsychologie. Springer-Lehrbuch (S. 111-125). Berlin/Heidelberg: Springer-Verlag.
- Birrer, D., & Morgan, G. (2010). Psychological skills training as a way to enhance an athlete's performance in high‐intensity sports. Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports, 20, 78-87.