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Mein Sportler ist der Kleinste in er Trainingsgruppe. Ist er ungeeignet für die Sportart?

Autor: Katrin Altmann
Stand: 2018
Hintergrund

‚Albatros‘ Michael Groß, mehrfacher Olympiasieger und Weltmeister, erhielt seinen Spitznamen aufgrund seiner enormen Armspannweite. In vielen Sportarten zeichnen sich die Topathleten durch besondere körperbauliche Merkmale aus. Die Wissenschaft bestätigt in zahlreichen Untersuchungen, dass bestimmte anthropometrische Leistungsvoraussetzungen einen positiven Einfluss auf die sportliche Leistung haben. Eine Erfassung und Bewertung körperbaulicher Merkmale findet in der Praxis zum Teil statt. Hierbei beschränkt man sich häufig auf einfach zu messende Größen, wie die Körperhöhe oder das Körpergewicht. Insbesondere große Sportler werden dann beispielsweise für Rudern, Schwimmen, Volleyball oder Basketball ausgewählt. Doch hier ist Vorsicht geboten! Denn auch Michael Jordan wurde mit 15 Jahren aussortiert, weil er (noch) zu klein war. Und Britta Steffen belächelt rückblickend die Einschätzung der Trainer zu ihren körperlichen Leistungsvoraussetzungen im Kindesalter: „Zu klein, zu dünn, zu schmächtig…“. Trotz alledem krönte sie ihre erfolgreiche Karriere mit zwei olympischen Goldmedaillen 2008.


Antwort

Abb. 1: Affenindex = Verhältnis deiner Armspannweite zu deiner Körperhöhe

Die Anatomie des Menschen wird stark durch die genetischen Voraussetzungen geprägt. Problematisch ist jedoch die unterschiedliche biologische Entwicklung von Sportlern, die die Beurteilung anthropometrischer Merkmale im Nachwuchs erschwert. Es ist fraglich, wie stabil sich bestimmte Parameter entwickeln oder ob Körperlängenverhältnisse sogar über die Zeit stabil bleiben. Gehörte Michael Phelps mit 10 Jahren schon zu den Größten seiner Altersklasse (Entwicklungsstabilität) und hatte Michael Groß schon immer relativ lange Arme im Verhältnis zu seiner Körperhöhe (zeitliche Stabilität)?

Die Körperhöhe, die nicht nur bei Schwimmern von Bedeutung ist, wird in der Pubertät maßgeblich durch den biologischen Reifegrad und den damit verbundenen maximalen Wachstumsschub beeinflusst. Die Bewertung der Körperhöhe ist daher ganz besonders bei Mädchen im Alter von 10 bis 14 Jahren und bei Jungen von 11 bis 15 Jahren schwierig. Eine Bestimmung der finalen Körperhöhe ist jedoch ab 8 Jahren (weiblich) bzw. 9 Jahren (männlich) mittels der Mirwald-Methode praxistauglich möglich. Durch die Relativierung der Beinlänge und des Oberkörpers zur Körperhöhe kann man den biologischen Reifegrad bestimmen und eine Abschätzung der finalen Körperhöhe vornehmen.

In vielen Sportarten gibt es neben der Körperhöhe noch weitere Merkmale, die relevant und einfach zu erfassen sind und zudem eine höhere Entwicklungsstabilität aufweisen. Dabei zieht man nicht die absoluten Werte in die Bewertung ein, sondern setzt sie ins Verhältnis zur Körperhöhe oder anderen Parametern. So zeigten Kadersportler im Schwimmen in jüngeren Jahren nicht absolut gesehen größere Armspannweiten oder Fußlängen, jedoch relativ in Bezug zu ihrer Körperhöhe. Anstelle der absoluten Armlänge nutzt man z. B. den Affenindex, der das Verhältnis von Armspannweite und Körperhöhe widerspiegelt (Abb. 1). Sportler, die bereits im Kindes- und Jugendalter Affenarme haben, verfügen auch im späteren Alter in mehr als 90 % der Fälle über eine größere Armspannweite als Körperhöhe. Ist das Verhältnis in jungen Jahren noch negativ, kann es sich jedoch im Laufe der Jahre in der Hälfte der Fälle noch umkehren. Nach der Pubertät ist eine Veränderung sehr unwahrscheinlich.


Handlungsempfehlungen

Die Körperhöhe ist nicht allein entscheidend - Wissenschaftliche Untersuchungen geben Aufschluss darüber, welche körperbaulichen Merkmale in deiner Sportart relevant sind.

Nutze möglichst Parameter, die eine hohe Entwicklungsstabilität aufweisen.

Berechne die finale Körperhöhe mittels Mirwald-Methode.

Die Anthropometrie ist nur ein Teil des Talentpuzzles – betrachte es nicht isoliert.

Sollten Indexe relevant sein (z. B. langer Oberkörper, breite Schulter bei schmaler Hüfte, geringes Körpergewicht im Verhältnis zur Körperhöhe), berücksichtige bei den Normwerten, dass auch diese sich im Laufe der Zeit verändern können und zum Teil bei Jugendlichen anders als bei Erwachsenen sind.

Im Sinne der Testökonomie können im Rahmen eines Testprogramms häufig nicht alle relevanten körperbaulichen Merkmale erfasst werden. Notiere Auffälligkeiten bezüglich des Körperbaus und erhebe ggf. im Trainings- oder Lehrgangsbetrieb weitere Größen systematisch und regelmäßig.

Literatur
  1. Fröhner, G. & Wagner, K. (2011). Körperbau und Talent. Leistungssport, 41 (2), 30-37.
  2. Malina, R. M., Rogol, A. D., Cumming, S. P., Coelho e Silva, M. J. & Figueiredo, A. J. (2015). Biological maturation of youth athletes: assessment and implications. British Journal of Sports Medicine, 49 (13), 852-859.
  3. Mirwald, R. L., Baxter-Jones, A. D. G., Bailey, D. A. & Beunen, G. P. (2002). An assessment of maturity from anthropometric measurements. Medicine & Science in Sports & Exercise, 34 (4), 689-694.
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