Kann man die Antizipationsfähigkeit mit Videotraining und Ballwurfmaschinen verbessern?
Stand: 2017
In den meisten Spiel- und Rückschlagsportarten müssen Athleten eine Flugbahn antizipieren, um den Ball abzufangen, abzuwehren oder zu schlagen. Was von außen so gewöhnlich und sogar einfach aussieht, ist eine der größten Herausforderungen im Sport, denn der Ball kann in einigen dieser Sportarten 400 km/h überschreiten! In ca. 300 ms sind sie gefordert, alle Informationen zu verarbeiten und ihre Bewegung auszuführen, wodurch ihnen kaum Zeit für ein Reaktion bleibt. Stattdessen müssen die Athleten lernen, Aktionen zu antizipieren. Dafür wird in vielen Sportarten ein Videotraining eingesetzt, bei dem die Sportler auf visuelle Stimuli reagieren müssen. Die gezeigten Aufnahmen werden an bestimmten Punkten angehalten (z. B. beim Kontakt Ball-Schläger) und die Spieler müssen die Ballrichtung vorhersagen. Meistens wird nicht nur die Genauigkeit der Antizipationen, sondern auch die Reaktionszeit der Sportler erfasst. In einigen Sportarten werden im Training zur Verbesserung der Reaktionsfähigkeit Ballwurfmaschinen eingesetzt. Ihr größter Vorteil ist, dass man keinen Gegner für das Training benötigt und dass aus der Maschine immer eine präzise Wurfbahn herauskommt. Aber kann man mit dieser Art des Trainings – Videotraining bzw. Ballwurfmaschinen – die Antizipation verbessern?
Im Labor durchgeführte Diagnostiken zeigen, dass man mit Videotraining die Antizipation der Sportler verbessern kann. Die Übertragung dieser Verbesserung auf das Spielfeld hat sich bisher jedoch als sehr schwierig erwiesen. Da die Sportler ihre Antizipation die ganze Zeit mit Videoaufnahmen (2D) trainierten, können sie die Aktionen des Gegners lediglich in einem 2D-Umfeld statt auf dem Spielfeld vorhersagen. Vielversprechender wäre der Einsatz einer virtuellen Realität, weil man damit die Sportsituationen realistischer nachbilden kann. Sowohl in der virtuellen Realität als auch beim normalen 2D-Videotraining interagiert man allerdings nicht wirklich mit einem Ball. Dies ist wahrscheinlich der wichtigste Grund, warum man die Antizipation auf dem Spielfeld mit dieser Art des Trainings nicht verbessern kann. Beim Videotraining achtet man überwiegend auf die kinematische Information der Gegnerbewegung, wohingegen auf dem Spielfeld durchgeführte Studien zeigen, dass sich die Sportler deutlich früher und länger auf den Ball konzentrieren, wenn sie ihn tatsächlich halten müssen. Die Antizipationsstrategien sind also unterschiedlich. Deshalb können die mit Videoaufnahmen erreichten Verbesserungen nicht auf die Spielfeldleistung übertragen werden.
Wenn die Spieler den Ball in der Realität länger fokussieren, scheint ein Antizipationstraining mit Ballwurfmaschinen sinnvoll zu sein. Leider ist auch das nicht so einfach, denn sie benötigen für ihre Vorhersage trotzdem die kinematische Information der Gegnerbewegung. Steht den Sportlern diese Information nicht zur Verfügung, verändert sich sowohl ihre Reaktionszeit als auch ihr Bewegungstiming. Somit ist es nicht mehr realitätsnah, einen aus einer Wurfmaschine herausgekommenen Ball abzufangen.
Beim Antizipationstraining sollte man Wahrnehmung und Handeln nicht voneinander trennen. Muss man in einer Sportart einen Ball abfangen, abwehren oder schlagen, dann sollte man es auch im Training tun, um sich nicht zu sehr von der Sportart zu entfernen. Die bloße Interaktion mit dem Ball ohne die Möglichkeit, aus dem Gegner Informationen gewinnen zu können, ist zur Verbesserung der Antizipation ebenfalls nicht ausreichend.
Trainiere so realitätsnah wie möglich.
Vergiss dabei Deinen Ball nicht! Ohne ihn ist ein realitätsnahes Training fast undenkbar.
Bringe viel Variabilität in Dein Training, damit Deine Sportler lernen, die unterschiedlichen Bewegungsmuster der Technikausführungen zu erkennen, z. B. viele Gegenspieler, die mehrere Techniken ausführen können.
Ist eine Ballwurfmaschine beim Training unbedingt notwendig, nutze sie gleichzeitig in Kombination mit Videotraining statt nur isoliert.
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