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Jeder nutzt sie – doch ist der Einsatz von Smartwatch und Co. in Training und Wettkampf sinnvoll und wie finde ich das richtige Produkt?

Autor: Moritz Schumann & Johanna Ochs
Stand: 2022
Hintergrund

Wearables und körpernahe Sensoren sind beispielweise Smartwatches und Fitness Tracker, die direkt am Körper getragen werden. Diese haben sich in den vergangenen Jahren zum Massenmarkt entwickelt. Während es 2019 bereits ca. 300 Millionen Wearables gab, ist bis zum Jahr 2023 mit weiteren 200 Mio. Wearables zu rechnen. Auch der Markt der Smartwatches entwickelt sich rasant und bis 2023 werden ca. 109 Million Modelle auf dem Markt sein. Dazu gibt es etwa 100.000 Health Apps bei iTunes und im Google Play Store. Mit Hilfe der Produkte können eine Vielzahl von Messungen, u.a. von Herzfrequenz, Atemfrequenz, EMG, Kräfte und Druckverteilung oder der Glukosekonzentration durchgeführt werden.

Doch bei der Masse an Produkten ist es schwierig geworden, zu beurteilen, welche Produkte valide sind. Lediglich 5-6% der Produkte sind bisher einer Qualitätssicherung hinsichtlich der Messgenauigkeit unterzogen worden. Denn seitens der Hersteller gibt es keine Qualitätskontrolle auf Basis internationaler Standards. Aufgrund dieser Situation liegt die Aufgabe von Qualitätskontrolle aktuell bei der Wissenschaft. Den verschiedenen nationalen und internationalen Forschungsgruppen ist es nicht möglich die Vielzahl der Geräte, welche regelmäßig auf den Markt kommt, zu validieren.

Doch wie gut funktionieren nicht validierte Geräte eigentlich? Können sie eine Hilfestellung für Trainer*innen sein? Wie Trainer*innen beurteilen, ob der Einsatz von Wearables sinnvoll ist oder nicht? Und was kann eine Entscheidung unterstützen?


Antwort

Sind körpernahe Sensoren und Wearables sinnvoll oder nicht?

Grundsätzlich sind körpernahe Sensoren und Wearables sinnvoll. Denn sie vereinfachen Messungen. Generell sind die körpernahen Sensoren und Wearables einfach zu handhaben und somit eine einfache Datenerhebung möglich. Damit können sie eine echte Unterstützung in der Trainingssteuerung sein. Da eine multivariable Datenerfassung möglich ist, können auch Faktoren außerhalb einer direkten körperlichen Beanspruchung wie beispielweise Schlaf und Ernährung einfach erfasst werden.

Dennoch ist zu bedenken, dass viele Hersteller nicht offenlegen, wie die Daten zustande kommen oder wie sich die zugrundeliegenden Algorithmen zur Auswertung der Daten aufbauen. Zudem gibt es nur einen sehr limitieren Zugang zu den Rohdaten der Sportler*innen, was eine nachvollziehbare Auswertung der Ergebnisse erschwert. Das geht einher mit der zum Teil fehlenden Validierung der Produkte. Daher sollten Trainer*innen gegebenenfalls auch gemeinsam mit ihren Athlet*innen genau überlegen, ob, wann und welche körpernahen Sensoren und Wearables zum Einsatz kommen.


Wie finde ich ein passendes Produkt?

Bei dieser Entscheidung kann es helfen, für sich folgende Fragen zu beantworten

1. Welche Informationen sind nützlich? Und können meine Geräte diese abbilden?

Trainer*innen und Athlet*innen sollten sich zunächst überlegen, welche Daten im Trainingsalltrag grundsätzlich erfasst werden sollen und für die Entwicklung der Leistung relevant sind. Mögliche weitere spezifische Fragen dazu sind:

  • Unter welchen Rahmenbedingungen findet das Training statt?
  • Können meine Geräte unter diesen Rahmenbedingungen genutzt werden?
  • Wie sind die Herstellerangaben dazu? Gibt es Nutzungshinweise?

2. Kann ich den gewonnenen Daten vertrauen?

Im zweiten Schritt sollte geprüft werden, ob die verwendeten Geräte validiert sind. Dahinter steht die Fragestellung, ob die Geräten wirklich die Daten messen, die sie laut Hersteller messen sollen. Mögliche Angaben zur Validierung kann man bei den Angaben des Herstellers oder in der Literatur finden. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob die Daten aus dem gewählten Gerät mit unabhängigen Daten verglichen werden können. Dazu bedarf es in der Regel einer Literatursuche, was sich im Alltag der Athlet*innenbetreuung durchaus schwierig gestalten kann. Wichtig ist hierbei kritisch zu hinterfragen, ob ein Hersteller auch Daten zur Genauigkeit für spezifische Settings (Rahmenbedingungen und Situationen) liefern kann. Heißt, ein Wearable kann möglicherweise gut beim Laufen oder Radfahren funktionieren, funktioniert aber beispielsweise beim Krafttraining oder einer Spielsportart, welche sehr viel höhere Ansprüche an die Körperbewegungen stellt, nicht.

3. Können die Daten effektiv integriert, analysiert und gemanagt werden?

Als nächstes sollten sich Trainer*innen und Athlet*innen überlegen, ob und wie die gewonnenen Daten ausgewertet werden können. Dabei kann auf die Auswertungen des Herstellers zurückgegriffen werden. Doch es ist ratsam, die Daten über diese Angaben hinaus weiter zu analysieren. Nutzt man nur die Auswertungen der Hersteller bleibt meist unklar, wie diese Ergebnisse zustande kommen, da die Algorithmen oft unbekannt sind. Es kann hilfreich sein, ein Bewusstsein und die Fähigkeit für eine eigenständige Datenauswertung zu entwickeln. So können wir zum Beispiel recht einfach die lokale Sauerstoffsättigung einzelner Muskelgruppen unter Belastung erfassen. Dadurch werden sehr wertvolle Daten gewonnen, deren Auswertung und Interpretation allerdings das entsprechende Fachwissen bedarf. Kann auf dieses im Team nicht zurückgegriffen werden, lohnt sich die Investition ggf. nicht.

4. Welche Daten sind dauerhaft sinnvoll zu erheben und können genutzt werden?

Als letzter Punkt sollte überlegt werden, wie die verwendeten und gewonnen Daten dauerhaft nützlich sind. Denn mit dem regelmäßigen Erheben der Daten, entstehen viele Datensätze, welche regelmäßig und zeitnah ausgewertet werden müssen, damit sie im Rahmen der Trainingssteuerung hilfreich sind. Insbesondere wenn über einzelne Trainingseinheiten hinaus Daten erfasst werden sollen (beispielsweise über die Nacht oder mehrere Tage) entstehen enorm große Datensätze, die mit einfachen statistischen Methoden kaum noch auszuwerten sind. Hier muss dann entweder auf die Algorithmen der Hersteller zurückgegriffen werden (mit den bereits genannten Limitationen) oder entsprechende Fachexpertise beschafft werden.

Zudem sollte man sich überlegen, in welchem Verhältnis Aufwand und Nutzen der Datenerhebung stehen. Zum Beispiel ist es möglich, den Schlaf von Athlet*innen zu tracken, doch, wenn dies dazu führt, dass die Athlet*innen durch die Sensoren gestört werden und dadurch schlechter schlafen, ist der Einsatz der Geräte gründlich zu überdenken. Auch sollte beachtet werden, welche Vorgaben durch einzelne Fachverbände bzw. das Regelwerk einzelner Sportarten bestehen. Im Rahmen von Wettkämpfen muss so geklärt werden, ob eine Datenerhebung erlaubt ist und welche Vorgaben möglicherweise berücksichtigt werden müssen. Damit stellt sich auch die Frage, wie wettkampfnahe Daten alternativ erfasst werden können.


Handlungsempfehlungen

Du kannst körpernahe Sensoren und Wearables grundsätzlich einsetzen. Vor dem Einsatz solltest du prüfen, ob die Messgenauigkeit eines Gerätes objektiv gegeben ist.

Wenn du bei der Datenerhebung mittels körpernaher Sensoren und Wearables unsicher bist, wende dich proaktiv an damit vertraute Personen (bspw. Wissenschaftskoordinator*innen des Verbands oder Wissenschaftler*innen). Oftmals können sie dir bei deiner Fragestellung weiterhelfen

Ebenso kannst du eine Kooperation mit Wissenschaftler*innen anstreben, um in einem gemeinsamen Prozess das passende Produkt für deine Anwendung zu finden bzw. eine Strategie für die Auswertung der Daten zu erarbeiten.

Wenn du allein auf der Suche nach technischer Unterstützung bist, beachte die vier Schritte zur Entscheidungsfindung. Sie helfen dir ein passendes Produkt zu finden bzw. den Einsatz von Wearables abzuwägen.

Literatur
  1. Interlive network - beschäftigt sich damit Standards einführen
  2. Molina-Garcia, Pablo; Notbohm, Hannah L.; Schumann, Moritz; Argent, Rob; Hetherington-Rauth, Megan; Stang, Julie et al. (2022): Validity of Estimating the Maximal Oxygen Consumption by Consumer Wearables: A Systematic Review with Meta-analysis and Expert Statement of the INTERLIVE Network. In: Sports medicine (Auckland, N.Z.) 52 (7), S. 1577–1597. DOI: 10.1007/s40279-021-01639-y.
  3. Mühlen, Jan M.; Stang, Julie; Lykke Skovgaard, Esben; Judice, Pedro B.; Molina-Garcia, Pablo; Johnston, William et al. (2021): Recommendations for determining the validity of consumer wearable heart rate devices: expert statement and checklist of the INTERLIVE Network. In: British journal of sports medicine 55 (14), S. 767–779. DOI: 10.1136/bjsports-2020-103148.
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