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„Ich muss dringend an meiner Kondition arbeiten“ – aber woran genau eigentlich?

Autor: Oliver Seidel-Marzi
Stand: 2021
Hintergrund

Kondition ist umgangssprachlich oft ein Synonym für Ausdauer. „Du hast ja keine Kondition“ oder „Wir müssen an deiner Kondition arbeiten“ hören junge Sportler*innen nicht selten, wenn eigentlich nur gewisse Defizite hinsichtlich der Ausdauerleistungsfähigkeit gemeint sind. Doch aus wissenschaftlicher Perspektive ist Kondition deutlich mehr, da unter den konditionellen Fähigkeiten neben der Ausdauer auch Kraft und Schnelligkeit zusammengefasst werden, also jene Leistungsfaktoren, die vorrangig durch die Energiebereitstellung bestimmt werden. Einige sportwissenschaftliche Ansätze (z. B. Hohmann, Lames & Letzelter, 2014) ordnen den konditionellen Fähigkeiten auch die Beweglichkeit zu.

Im Trainerjargon wird oftmals der Begriff Athletik als Überbegriff für Kondition (und Koordination) verwendet. Die konditionellen Fähigkeiten sind hingegen ein Teil der motorischen Fähigkeiten und damit neben den koordinativen Fähigkeiten ein wesentlicher Bestandteil der grundlegenden Bewegungs- und Leistungsvoraussetzungen. Darüber hinaus spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Vermeidung von Dysbalancen und Asymmetrien und tragen zu einer verbesserten Regenerationsfähigkeit bei.

Doch wie lassen sich weiterhin zum Beispiel Maximalkraft, Schnellkraft, Ausdauerschnelligkeit oder anaerobe Ausdauer in diesem Kontext einordnen?


Antwort

Auf der obersten Ebene lässt sich die Motorik in Koordination (siehe FAQ Koordination) und Kondition unterteilen, wobei zwischen den konditionellen und koordinativen Fähigkeiten in Training und Wettkampf ständige Wechselwirkungen bestehen. Somit kann keine der Fähigkeiten absolut isoliert, sondern viel mehr schwerpunktmäßig trainiert werden. Grundlegend wird sowohl bei den koordinativen als auch bei den konditionellen Fähigkeiten zwischen primär energetisch und primär informationell bestimmten Fähigkeiten unterschieden (siehe Abb. 1). Die Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Fähigkeiten wird u. a. durch die indirekte Beteiligung der koordinativen Fähigkeiten an der Ausbildung der konditionellen Fähigkeiten deutlich. Im Skilanglauf kann bspw. ein spezifisches Ausdauertraining nur auf Basis einer gut ausgeprägten Gleichgewichtsfähigkeit durchgeführt werden.

Die konditionellen Fähigkeiten lassen sich auf verschiedenen Ebenen weiter unterteilen, was besonders im Aufbau-, Anschluss und Hochleistungstraining eine Rolle spielt. Hier werden die Trainingsschwerpunkte auf bestimmte Ausprägungsformen von Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit gelegt, um dem individuellen biologischen Entwicklungsstand von Sportler*innen und der damit verbundenen entwicklungsabhängigen Trainierbarkeit von Fähigkeiten gerecht zu werden. Grundsätzlich wird zwischen den konditionellen Basisfähigkeiten (Grundlagenausdauer, Maximalkraft und elementarer Schnelligkeit) und den sportartspezifischen Fähigkeiten, welche durch die Basisfähigkeiten und deren Beziehungen zueinander entstehen, unterschieden.


Abb.1: Systematik der Kondition und Koordination unter besondere Berücksichtigung der Wechselbezüge bei der Kraft, Schnelligkeit und Beweglichkeit (modifiziert nach Hohmann, Lames, Letzelter & Pfeiffer, 2020)

Ausdauer

Ausdauer als Leistungsvoraussetzung bezeichnet im Allgemeinen die Widerstandsfähigkeit des menschlichen Körpers gegen Ermüdung (Hohmann, Lames & Letzelter, 2014) und sichert eine zuverlässige Dauerbeanspruchung mit optimaler Intensität und stabiler Technik (Schnabel, Harre & Krug, 2011). Als anschauliche Beispiele können hier zyklische Sportarten wie Radsport, Schwimmen oder auch Skilanglauf genannt werden. In der Literatur sind verschiedene Möglichkeiten zu finden, die vielfältigen Ausdauerfähigkeiten zu differenzieren, bspw. im Hinblick auf die Spezifik verschiedener Sportarten in allgemeine und spezielle Ausdauer. Unter Berücksichtigung vergleichbarer Wettkampfzeitbereiche wird weiterhin zwischen Sprint- und Schnelligkeitsausdauer, Kurzzeitausdauer, Mittelzeitausdauer und Langzeitausdauer (I bis IV) unterschieden. In der weiteren Differenzierung wird außerdem entsprechend der vorherrschenden Stoffwechselanforderung zwischen aerober (Sauerstoff steht in ausreichender Menge zur oxydativen Verbrennung der Energieträger zur Verfügung), anaerob-alaktazider (Abbau der Energieträger Adenosintriphosphat (ATP) und Kreatinphosphat (KrP) ohne Beteiligung von Sauerstoff und ohne Laktatbildung) und anaerob-laktazider (Abbau des Energieträgers Glykogen ohne Beteiligung von Sauerstoff unter Laktatbildung) Ausdauer unterschieden. Weitere Klassifizierungsmöglichkeiten richten sich bspw. nach dem Anteil der beanspruchten Muskelmasse (lokale vs. allgemeine Muskelausdauer) oder nach der vorherrschenden Kontraktionsbedingung der Muskulatur (dynamische vs. statische Ausdauer). Entsprechend der Zielstellung sind vor allem die Klassifizierungsansätze nach Wettkampfzeitbereich und Stoffwechselanforderung bei der Planung und Durchführung von Trainingseinheiten im Nachwuchsbereich zu beachten und entsprechend umzusetzen.

Zu Objektivierung bzw. Diagnostik der verschiedenen Ausdauerfähigkeiten wird häufig die Ergometrie in Kombination mit der Atemfunktionsdiagnostik (Spirometrie) eingesetzt. Die wichtigsten Messgrößen der Spiroergometrie im Ausdauerbereich sind die Herzschlagfrequenz, die Sauerstoffaufnahme und die Laktatkonzentration im Blut. Mit Hilfe dieser Größen lässt sich die Beanspruchung des biologischen Systems beurteilen, um Trainingsbelastungen (z. B. Intensitätsbereiche) individuell in der Trainingsplanung berücksichtigen zu können. Die praktikabelste Möglichkeit zur Beurteilung der Ausdauerfähigkeit im Nachwuchsbereich ist hierbei die Messung der Beanspruchung über die Herzschlagfrequenz.


Kraft

Die Kraftfähigkeit ist die energetische Basis für alle Bewegungen, bei denen die beanspruchten Muskeln mehr als etwa 30% ihrer maximal verfügbaren Kraft einsetzen müssen (Schnabel, Harre & Krug, 2011). Grundlage aller Kraftfähigkeiten ist die Maximalkraft, also die höchste Kraft, die der Mensch bei willkürlicher Muskelkontraktion auszuüben vermag. Von der Maximalkraft lassen sich (je nach dominierender Fähigkeit) weiterhin die komplexen Fähigkeiten Schnellkraft und Kraftschnelligkeit sowie Ausdauerkraft und Kraftausdauer ableiten. Dominiert also bspw. die Schnelligkeit, da bei einer Übung eine sehr hohe Beschleunigung und Bewegungsgeschwindigkeit bei relativ geringem Kraftmaximum erreicht wird, so wird die komplexe Fähigkeit auch als Kraftschnelligkeit bezeichnet. Explosivkraft und Reaktivkraft sind wiederum spezielle Erscheinungsformen der Schnellkraft. Die Maximalkraft, aber auch andere Erscheinungsformen der Kraftfähigkeit (z. B. Kraftausdauer) kommen sowohl bei statischer als auch bei dynamischer Arbeitsweise der Muskulatur zum Ausdruck. Eine effektive Kraftentwicklung unter dynamischen und statischen Bedingungen hängt hauptsächlich von folgenden Faktoren ab (Schnabel, Harre & Krug, 2011):

  • Muskelquerschnitt
  • Muskelfaserspektrum
  • Intramuskuläre Koordination (Nerv-Muskel-Zusammenspiel eines einzelnen Muskels innerhalb eines gezielten Bewegungsablaufs)
  • Intermuskuläre Koordination (Zusammenwirken verschiedener Muskeln bei einem gezielten Bewegungsablauf)
  • Energiebereitstellung
  • Volitive Steuerung und Motivation
  • Sporttechnisches Können
  • Konstitutionelle Voraussetzungen

Zu Objektivierung bzw. Diagnostik der verschiedenen Kraftfähigkeiten dienen biomechanische Verfahren wie dynamografische Methoden (z. B. mittels Kraftmessplatten), Elektromyografie (EMG) oder auch sportmotorische Tests. Letztere sind vor allem im Nachwuchsbereich die praktikabelste Möglichkeit, um den aktuellen Stand und die Entwicklung der verschiedenen Kraftfähigkeiten beurteilen zu können. Einfache sportmotorische Tests sind bspw. Unterarmstütz zur Beurteilung der Kraftausdauer oder Standweitsprung zur Beurteilung der Schnellkraft.


Schnelligkeit

Die Schnelligkeit als Leistungsvoraussetzung bezeichnet die Fähigkeit, in möglichst kurzer Zeit ohne Ermüdung motorisch zu agieren (z. B. Sprintlauf) oder zu reagieren (z. B. Sprintstart) (Hohmann, Lames & Letzelter, 2014). Grundlegend wird bei der Schnelligkeitsfähigkeit zwischen elementarer und komplexer Schnelligkeit unterschieden. Bei der elementaren Schnelligkeit wird von einer reinen Schnelligkeit gesprochen, welche sich in kurzzeitigen, kleinmotorischen Bewegungsformen (z. B. Fingertapping) äußert. Die komplexe Schnelligkeit definiert sich dagegen über vielschichtige, teilweise sportartspezifische Bewegungen. Sie lässt sich weiterhin in zyklische (z. B. Sprintlauf) und azyklische (z. B. Wurfbewegung im Handball) Schnelligkeit sowie in Wechselwirkung mit den koordinativen Fähigkeiten bzw. komplexen Handlungsleistungen in Reaktionsschnelligkeit (Einfach- und Wahlreaktion) bzw. Handlungsschnelligkeit untergliedert (siehe FAQ Schnelligkeit). Die entscheidenden Einflussfaktoren auf die Schnelligkeit lassen sich unter muskulär-energetischen (konditionellen) bzw. nerval-informationellen (koordinativen) Gesichtspunkten zusammenfassen.

Zur Objektivierung bzw. Diagnostik der verschiedenen Schnelligkeitsfähigkeiten dienen bspw. sportmotorische Tests wie Tappingtests, Reaktionstests oder Nieder-Hoch-Sprünge (Drop Jumps).


Beweglichkeit

Abb. 2: Konditionsdreieck (modifiziert nach Harre & Leopold, 1986)

Unter Beweglichkeit als Leistungsvoraussetzung versteht man die Fähigkeit, Gelenk- bzw. Körpersegmentbewegungen in der erforderlichen Weite ausführen und unterschiedliche Stellungen und Haltungen einnehmen zu können. Dazu ist eine gewisse Gelenkigkeit und Dehnungsfähigkeit notwendig (Hohmann, Lames & Letzelter, 2014). Einfluss auf die Beweglichkeit hat neben konditionellen und koordinativen Grundlagen auch die körperliche Konstitution, weshalb die Beweglichkeit dem passiven Bewegungsapparat zugeordnet wird (Bös, 2001). Konkret gelten der Bau und Funktionszustand der Gelenke, die Dehnbarkeit der Muskeln und des Bindegewebes sowie die Kraftfähigkeit der beteiligten Muskulatur als Grundlagen der Beweglichkeit (Schnabel, Harre & Krug, 2011). Zu unterscheiden sind zudem die drei Aspekte: aktive Beweglichkeit (Einnahme einer Gelenkstellung unter aktiver Muskelkontraktion ohne Schwung; z. B. ein Kampfsportler hält einen Kick für einen Moment auf entsprechender Höhe), passive Beweglichkeit (Einnahme eines möglichst großen Gelenkausschlages, auch unter Zuhilfenahme externer Kräfte; z. B. klassischer Spagat) und anatomische Beweglichkeit (anatomische Bedingungen von Muskeln, Bändern, Sehnen, Gelenkkapseln sowie knöcherner Verbindungen).

Insgesamt gilt die Beweglichkeit als Voraussetzung für die Realisierung und damit für das Erlernen sportlicher Techniken, für eine verbesserte Bewegungsökonomie durch eine Beweglichkeitsreserve sowie über den Sport hinaus als wichtiger Faktor für Gesundheit und Wohlbefinden im Alltag. Ein Marker für Beweglichkeit ist die sogenannte Range of Motion (ROM), welcher meist in Form von Winkeln gemessen und in Grad angegeben wird. Um die Beweglichkeit zu testen, gibt es leicht umzusetzende Möglichkeiten wie den Toe Touch Test (Finger werden mit gestreckten Beinen Richtung Boden geführt), aber auch komplexere standardisierte Verfahren wie den Muskelfunktionstest nach Janda zur Bestimmung der passiven Beweglichkeit oder den Functional Movement Screen (FMS), der neben der Beweglichkeit auch die Stabilität in verschiedenen Körperbereichen überprüft.


Handlungsempfehlungen

Frage dich, wie sich die konditionellen Fähigkeiten in der Leistungsstruktur deiner Sportart wiederfinden. Welche konditionellen Leistungsvoraussetzungen sind für Spitzenleistungen im Erwachsenenbereich nötig?

Bewerte, welche konditionellen Schwerpunkte auch im Rahmen des langfristigen Leistungsaufbaus für deine Sportler*innen gesetzt werden sollen. Welche Ausbildungsziele und -inhalte sind als übergeordnete Orientierungen formuliert?

Frage dich, welche konditionellen Fähigkeiten schon ausgeprägt sind und wie du diese weiter verbessern kannst. Was bringen meine Sportler*innen schon mit und worauf muss ich dementsprechend achten?

Frage dich, wie du weniger ausgeprägte konditionelle Fähigkeiten fördern kannst.

Literatur
  1. Hohmann, A., Lames, M., Letzelter, M. & Pfeiffer, M. (2020). Einführung in die Trainingswissenschaft (7., überarbeitete Aufl.). Wiebelsheim: Limpert.
  2. Bös, K. (Hrsg.) (2001). Handbuch Motorische Tests. Göttingen: Hogrefe.
  3. Meinel, K., Schnabel, G. (1998). Bewegungslehre – Sportmotorik. Berlin.
  4. Schnabel, G., Harre, H.-D. & Krug, J. (Hrsg.). (2011). Trainingslehre – Trainingswissenschaft. Leistung – Training – Wettkampf. 2. akt. Auflage. Aachen: Meyer & Meyer Verlag.
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