Technik
Kondition
Koordination
Taktik
Psyche
Training
Umfeld
Person
Wettkampf
Technologie

Herkulesaufgabe Talentkonzept? Wir brauchen einen Plan, mit dem wir das Potenzial fundiert beurteilen können.

Autor: Nico Walter
Stand: 2017
Hintergrund

Finanzielle Mittel für Fördermaßnahmen sind begrenzt. Schnell gerät man an einen Punkt, an dem die Entscheidung für Einen und gegen die Anderen getroffen werden muss. Um langfristig mit der Weltspitze Schritt halten zu können und Athleten mit geringer Perspektive eine Karriere in anderen Sportarten nicht zu verwehren (Talenttransfer), ist es nicht ausreichend, Spitzensportpotenzial (Talent) auf der Basis subjektiver und wenig transparenter Einschätzungen zu bestimmen. Ein systematisches und fundiertes Talentauswahlkonzept ist erforderlich. Nicht selten zeigt jedoch die Situationsanalyse, dass in den Sportarten Konzepte und Strukturen fehlen, die eine fundierte Beurteilung des Potenzials gewährleisten. Wie also vorgehen, wenn bisher kein Talentauswahlkonzept vorliegt?


Antwort

Leistungsvoraussetzungen für Weltspitzenleistungen definieren

Zu Beginn muss die Frage beantwortet werden, welche Leistungsvoraussetzungen für Weltspitzenleistung in einer Sportart wichtig sind. Sicher sind darüber bereits einige Informationen vorhanden. Recherchiere hierzu im Internet oder in Datenbanken (z. B.: SPONET). Zudem können Experten (z. B.: Elitetrainer; -athleten) befragt werden. Gibt es Voraussetzungen, die von allen Experten als wichtig erachtet werden?


Talentmerkmale definieren

Nun stellt sich die Frage, welche dieser Voraussetzungen bereits im Nachwuchsalter ausgeprägt sein müssen, um später Spitzenleistungen zu erreichen (Talentmerkmale). Dabei sollte eine ganzheitliche Perspektive eingenommen werden (Talentpuzzle). Vielleicht hat der Verband bereits Merkmale der aktuellen Eliteathleten im Nachwuchsalter erfasst? Zeichnen sich die erfolgreichen Athleten im Vergleich zu den weniger erfolgreichen durch bestimmte Merkmale im Nachwuchsbereich aus? Sollten keine Leistungsdaten vorhanden sein, können erneut Experten befragt oder Konzepte verwandter Sportarten zu Rate gezogen werden.


Tests auswählen

Wie kann man diese Merkmale (möglichst sportartspezifisch) erfassen? Es existiert bereits eine Vielzahl an Tests und Erhebungsverfahren, die aufgegriffen und an die Bedingungen und Voraussetzungen deiner Sportart angepasst werden können. Dabei hilft ein Blick in die Praxis, in die Literatur, ins Internet oder in andere Sportarten. Erprobe die einzelnen Tests, frage die Athleten und Trainer nach Feedback und passe dein Auswahlkonzept Schritt für Schritt an.


Strukturen und Organisation klären

Dies gewährleistet einen differenzierten Blick auf das Zustandekommen der Wettkampfleistung eines Athleten und erleichtert die Einschätzung, ob die Ausprägung der Talentmerkmale eine positive Entwicklung erwarten lässt. Um Entwicklungen darstellen und sie bei der Beurteilung der Entwicklungsperspektive berücksichtigen zu können, sind mehrere Testzeitpunkte notwendig. Hierzu sind organisatorische Bedingungen zu klären. Wann und wo sollen Tests durchgeführt werden? Wer soll dafür verantwortlich sein und welche Athleten sollen wie oft getestet werden? Wer dokumentiert und interpretiert die Ergebnisse? Hierbei sind die Voraussetzungen im Verband zu berücksichtigen.


Auswahlkonzept anwenden und evaluieren

Das Konzept sollte in einheitlicher Form über mehrere Jahre hinweg durchgeführt werden. Bald ist die Datenlage ausreichend groß, um Orientierungswerte zu erarbeiten. Zeigen die Daten, auf welchem Niveau die Merkmale mindestens ausgeprägt sein müssen, um später Spitzenleistungen zu erreichen? Gibt es erfolgreiche Athleten, die ein Defizit durch eine hohe Ausprägung eines anderen Merkmals ausgleichen konnten? Sind bestimmte Merkmale in bestimmten Trainingsetappen weniger relevant als andere? Unter Berücksichtigung dieser Fragen wird die Talentauswahl zunehmend effektiver.


Wissenschaftliche Unterstützung nutzen

Das Talentauswahlkonzept stellt einen großen Schritt auf dem Weg zu einer fundierten Talentauswahl dar. Um das Konzept noch stärker auf wissenschaftlich Beine zu stellen, sollte auch eine wissenschaftliche Unterstützung angestrebt werden. Nutze diese, wenn möglich, bereits begleitend während der Konzeptentwicklung.


Handlungsempfehlungen

Betrachte die Talentfrage ganzheitlich und orientiere Dich am Talentpuzzle.

Binde Experten (z. B.: Trainer, Athleten, Wissenschaft) ein, um Informationen zum Talent in Deiner Sportart zu erhalten.

Bemühe Dich frühzeitig um die notwendigen organisatorischen und materiellen Bedingungen (z. B.: Wer sichtet wen, wann und wie oft?).

Erprobe Dein Talentauswahlkonzept zusammen mit den verantwortlichen Trainern Schritt für Schritt in der Praxis und hole Dir Feedback ein.

Dokumentiere die Testergebnisse sorgfältig, um Dein Talentauswahlkonzept Schritt für Schritt zu effektivieren und wissenschaftlich zu evaluieren.

Literatur
  1. Hohmann, A. (2009). Entwicklung sportlicher Talente an sportbetonten Schulen. Schwimmen. Leichtathletik. Handball. Petersberg: Michael Imhof.
  2. Hoare, D. (2005, Februar). Talent identification, selection and development plan - Athletics. Zugriff unter http://www.sasc.org.za/ClientFiles/SISA%20athletics.doc
Lesetipps