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Gemeinsame Technikphilosophie – Wie schaffen wir es im Verband eine einheitliche Sprache zu sprechen?

Autor: Alexandra Eberhardt
Stand: 2022
Hintergrund

Da in die Ausbildung der sportlichen Bewegungstechnik immer auch die Handschrift der Trainer*innen mit einfließt, lässt sich oft allein am Technikstil der Sportler*innen erkennen, durch wessen „Schule“ sie gegangen sind. Ein individueller Bewegungsstil, angepasst an die eigenen körperlichen und konditionellen Voraussetzungen, ist im Hochleistungssport zentral. Im Nachwuchsleistungssport ist es hingegen wichtig, besonderen Wert auf die einheitliche Ausbildung einer Basistechnik zu legen. Die Basistechnik ist gewissermaßen der „Grundpfeiler“ der sportlichen Technik aus der sich später individuelle Techniklösungen (Zieltechniken) entwickeln lassen.

Sportliche Technik verändert sich mit der Zeit. Verändertes Material, neue wissenschaftliche Erkenntnisse und individuell effektive Ausprägungen in der Weltspitze haben auch zur Folge, dass sich Technikorientierungen für das Nachwuchstraining weiterentwickeln.

Trotzdem haben „veraltete“ Technikmerkmale oft lange Bestand. Ob ein „tiefes Durchschieben“ beim Doppelstockschub im Skilanglauf oder die “S-Kurve“ beim Kraularmzug im Schwimmen, so manch veraltetes Technikkriterium hält sich hartnäckig in den Köpfen von Trainer*innen und Sportler*innen. Grund dafür ist auch, dass diese Technikmerkmale – abgedruckt in Lehr- und Verbandsmaterialien – oft weiter in Aus- und Fortbildungen vermittelt werden. Umso wichtiger ist es, Technikmaterialien stets auf dem aktuellen Stand zu halten. Sprechen alle Trainer*innen im Verband – von der Basis bis zur Spitze – dieselbe Sprache, kann die technische Ausbildung vereinheitlicht und die Nachwuchsathlet*innen optimal auf zukünftige Spitzenleistungen vorbereitet werden.

Doch wie erarbeitet man ein gemeinsames Technikverständnis im Verband?


Antwort

Wichtig ist, dass ihr euch zunächst die Frage stellt, wie die Basistechnik strukturiert werden soll:

  1. zeitliche Strukturierung anhand von Schlüsselpositionen bzw. Technikknotenpunkten (Bsp.: „Stocksetzen“ oder „Stocklösen“ im Skilanglauf oder „Eintauchen“ im Kanurennsport)
  2. Unterteilung in Funktionsphasen, die eine zentrale Bedeutung für die Gesamtbewegung haben (Bsp.: „Armbewegung“ im Schwimmen oder „Anfahrt“ im Skispringen)

Eine Universalantwort lässt sich nicht geben. Vielmehr hängt die Entscheidung von individuellen Faktoren der Sportart ab. Hilfreiche Fragen könnten u.a. sein:

  • Wird die sportliche Technik durch ein äußeres Medium beeinflusst (z.B. Wasser, Wind, Bodenbelag)?
  • Setzt sich die sportliche Technik aus unterschiedlichen Funktionsphasen zusammen (z.B. Anfahrt, Flug und Landung im Skispringen)?
  • Spielt der Einfluss von Gegnern oder Hindernissen eine Rolle?
  • Brauche ich eher eine große Variabilität (z.B. Sprungwurf im Basketball) oder Stabilität (z.B. Eisschnelllauf) in meiner Technikausführung?

Um zu einer gemeinsamen Technikphilosophie zu gelangen, solltet ihr neben der Struktur der Technik außerdem ein einheitliches Vokabular, eine gemeinsame Auffassung von Technikabweichungen (Fehlerbildern) und eine klare Linie für die Technikvermittlung erarbeiten. Folgende fünf Schritte sollten beachtet werden:


1. Expert*innenteam gründen

 

Eure Verbandsphilosophie sollte nie auf einer Einzelmeinung beruhen. Vielmehr sollten mehrere Expert*innen (drei bis fünf) aus der Trainingspraxis und Wissenschaft ihr Wissen und ihre Erfahrungen unter Einbeziehung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse diskutieren und strukturiert verschriftlichen. Unter den Expert*innen sollten möglichst Trainer*innen mit eigenen sportlichen Erfolgen im Nachwuchs- und Spitzenbereich vertreten sein. Konstruktiver „Streit“, z.B. über wichtige Technikkriterien oder Trainingsprinzipien ist an dieser Stelle wichtig, um möglichst viele Perspektiven in die gemeinsame Technikidee zu überführen. Offenheit und Transparenz sind dabei das A und O, denn nur in einer vertraulichen Gesprächskultur ist Einigung möglich.

Verantwortlichkeiten sind klar zu regeln:

  • Wer organisiert die Gesprächsrunden?
  • Wer moderiert den Austausch?
  • Wer dokumentiert die Ergebnisse?
  • Wer stellt Bild- oder Videomaterial als Diskussionsgrundlage zur Verfügung?

Eine Außenperspektive durch eine externe (neutrale) Person kann für den gesamten Prozess von der Ideensammlung bis zur Verschriftlichung des Konzepts sehr hilfreich sein. Um den persönlichen Standpunkt jedes/r Expert*in möglichst unvoreingenommen zu erfassen, empfehlen sich Einzelinterviews noch vor der ersten Zusammenkunft im Expert*innenteam. Dabei könnt ihr euch an folgenden Fragen orientieren:

  • Was sind aus deiner Sicht die wichtigsten Technikmerkmale?
  • Was unterscheidet eine gute von einer weniger guten Technik?
  • Welche Technikfehler treten im Nachwuchs häufig auf?

2. Transparent arbeiten

Die erarbeitete Technikphilosophie sollte möglichst bei allen Trainer*innen im Verband Akzeptanz finden – sonst wird sie weder gelebt noch führt sie zum gewünschten Erfolg. Transparentes Arbeiten und eine offene Kommunikation sind daher im gesamten Arbeitsprozess wichtig:

  • Wer gehört zum Expert*innenteam? 
  • Wie werden die Inhalte erarbeitet?
  • Wo sind die Ergebnisse zu finden?
  • Wie kann man sich am Prozess beteiligen? etc.

Traineraus- und -fortbildungen eignen sich gut, um (Zwischen-)Ergebnisse darzustellen. Mit Hilfe moderner Umfrage-Tools können außerdem unkompliziert und schnell Meinungsbilder eingeholt und somit alle im Verband zum „Mitwirken“ animiert werden.


3. Basistechnik darstellen

Herzstück einer Technikphilosophie ist das Sollbild der Basistechnik. Mit der Unterstützung von Expert*innen im Bereich der Technikvisualisierung im Sport (z.B. evoletics) können charakteristische Positionen des Bewegungsablaufs illustriert und Techniken damit auf wesentliche Aspekte reduziert und dennoch detailgetreu abgebildet werden. Das Ergebnis kann eine Bildreihe oder auch ein bewegtes Gif (animierte Bildreihe) sein. Videos oder animierte Bilder sind wichtig, um die Dynamik und das Timing von Teilbewegungen darzustellen – Aspekte, die ein Standbild allein nicht zum Ausdruck bringen kann. Die wichtigsten Technikkriterien solltet ihr zusätzlich beschreiben, wobei zwischen Bewegungs- und Beobachtungsmerkmalen zu unterscheiden ist. Während sich in der Kraul-Illustrierung kleinste Details der Bewegung, z.B. die Handhaltung, erkennen lassen (Bewegungsmerkmal), schränkt die Wasseroberfläche die Sichtbarkeit bestimmter Merkmale in Wirklichkeit stark ein. Beobachtungsmerkmale berücksichtigen die Realbedingungen, die in eurer Sportart vorherrschen, und beschreiben, was tatsächlich aus Perspektive der Trainer*innen (z.B. vom Beckenrand) zu beobachten ist (oder eben nicht).


Abb. 1: Illustrierung der Kraultechnik im Schwimmen

4. Technikabweichungen aufzeigen und Korrekturhinweise geben

Studienergebnisse zeigen, dass Personen, deren Bewegungsvorstellung nicht nur mittels korrekter, sondern auch mittels fehlerhafter Bewegungsausführung geschult wurde, Abweichungen vom Sollbild besser identifizieren können. Darüber hinaus stellen die Technikabweichungen eine wertvolle Ergänzung zur Basistechnik dar: Sie verdeutlichen, welcher Grad der Sollabweichung nicht mehr tolerierbar ist und grenzen somit die Range, also den Toleranzbereich, des Sollbilds ein.

Um eine zielgerichtete Bewegungskorrektur einzuleiten, ist es wichtig die Ursache des Fehlers zu kennen. Im Kraulschwimmen nützt es beispielsweise wenig, eine zu tief ausgeführte Beinbewegung über die Beinarbeit selbst korrigieren zu wollen, wenn die Fehlerursache in Wirklichkeit an einer falschen Kopfhaltung liegt. Da diese Verknüpfung von beobachteter Abweichung und tatsächlicher Fehlerursachse eine zentrale Rolle bei der Technikvermittlung spielt, sollte sie im Technikkonzept unbedingt berücksichtigt werden.


5. Einfachen Zugang ermöglichen

Zu guter Letzt bringt die beste Technikphilosophie nichts, wenn sie nicht für alle im Verband zugänglich ist. Techn-o (Technik-online), ein Modul der RTK-online, bietet euch die Möglichkeit, eure eigene Verbandsphilosophie online sichtbar zu machen. Mithilfe der digitalen „Schablone“ können alle Inhalte (Technikvideos, Illustrierungen, Fehlerbilder) einfach eingepflegt und auf dem neuesten Stand gehalten werden. Integrierte Funktionen und Templates, z.B. ein Bildreihen-Tool oder eine Tooltipp-Funktion, ermöglichen euch eine moderne und nutzerfreundliche Darstellung der Inhalte. Ein weiterer Vorteil: Alle Materialien befinden sich zentral an einem Ort und können jederzeit, z.B. im täglichen Training oder während Aus- und Fortbildungen, abgerufen werden.


Abb. 2: Website der RTK-online  

Handlungsempfehlungen

Bildet ein Expert*innenteam und nutzt die Expertise von Trainer*innen, die große Erfolge im Nachwuchs und der Spitze hatten. Profitiert von ihren Erfahrungen.

Stellt sicher, dass alle Expert*innen dasselbe Ziel verfolgen, denn nur dann herrscht eine konstruktive Gesprächskultur

Plant für die Aufzeichnung hochwertiger Videos und Bilder sowie die Erstellung von Illustrierungen ausreichend Zeit ein.

Stellt sicher, dass sich alle Trainer*innen in den Arbeitsprozess einbringen können, damit die Technikphilosophie von allen akzeptiert und gelebt wird.

Sorgt dafür, dass die Ergebnisse für alle Trainer*innen im Verband gut auffindbar und im täglichen Training anwendbar sind.

Der Prozess ist nie endgültig abgeschlossen: Berücksichtigt die Entwicklungen in eurer Sportart und entwickelt eure Technikphilosophie kontinuierlich weiter.

Literatur
  1. RTK Schwimmen - Basistechnik
  2. Lehner, M. (2019). Beurteilen sportlicher Bewegungen. Untersuchung möglicher Einflussfaktoren auf die Beurteilungsleistung. Passau: Universität Passau, Philosophische Fakultät, Fachbereich Sportwissenschaft.
  3. Meinel, K. & Schnabel, G. (2007). Bewegungslehre Sportmotorik. Abriss einer Theorie der sportlichen Motorik unter pädagogischem Aspekt (11., überarb. und erw. Aufl.). Aachen: Meyer & Meyer.
  4. Voigt, L., Hohmann, A. & Singh, A. (2013). Konzepte erfolgreichen Nachwuchstrainings (KerN). Zentrale Merkmale subjektiver Trainertheorien zum leistungssportlichen Ausbildungsprozess. Leistungssport, 43 (6), 4-15.
  5. Weineck, J. (2019). Optimales Training. Leistungsphysiologische Trainingslehre unter besonderer Berücksichtigung des Kinder- und Jugendtrainings (17., überarb. und erw. Aufl.). Balingen: Spitta.
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