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Ausdauerorientierte muskuläre Leistung – Wie sollte das grundlegende Krafttraining in Ausdauersportarten optimal gestaltet werden?

Autor: Nico Walter
Hintergrund

In Ausdauersportarten muss eine muskuläre Leistung über wiederholte Muskelaktionen erbracht werden. Eine Steigerung der Leistung ist deshalb sowohl über verbesserte energetische, als auch neuromuskuläre Voraussetzungen möglich. Letzteres kann über ein grundlegendes oder spezifisches Krafttraining (z. B. Fahrten mit erhöhtem Bootswiderstand) verbessert werden. Im Gegensatz zum spezifischen Krafttraining war der Nutzen eines grundlegenden Krafttrainings zur Steigerung der ausdauerorientierten muskulären Leistung in Ausdauersportarten lange Zeit unklar.

Wird Ausdauertraining mit einem grundlegenden Krafttraining kombiniert, ist oftmals trotz gleichem Ausdauertrainingseffekt im Vergleich zum isolierten Training der Krafttrainingseffekt reduziert1 . Trotz dieser Interferenz kann ein grundlegendes Krafttraining auch bei Eliteathleten die komplexe Ausdauerleistung steigern2 . Die positive Wirkung ist dabei weniger auf eine Muskelhypertrophie, sondern auf Veränderungen der Faserstruktur, des Muskel-Sehnen-Komplexes sowie der neuromuskulären Ansteuerung zurückzuführen. Dadurch verbessert sich die Bewegungsökonomie, die maximale Leistung, der Kraftanstieg oder auch der anaerobe Energiestoffwechsel und infolgedessen die komplexe Ausdauerleistung 2 , 3, 4. Allerdings sind auch negative Auswirkungen eines grundlegenden Krafttrainings bekannt 5, 6. Es stellt sich also weniger die Frage, ob ein grundlegendes Krafttraining für Ausdauerathleten sinnvoll ist. Entscheidend für den positiven Effekt ist das „Wie?“.


Antwort

Welche Trainingsmethode ist im grundlegenden Krafttraining am effektivsten?

Da positive Effekte eines grundlegenden Krafttrainings auf die Ausdauerleistung vor allem in neuromuskulären Anpassungen begründet sind, wird die „IK-Methode“ (> 80 % 1RM; 2-5 Serien je 1-5 Wdh.) empfohlen 2 , 3, 4, II, III. Die typisch geforderte Ausbelastung innerhalb einer Serie ist dabei für positive Effekte nicht notwendig 7. In einigen Ausdauersportarten (z. B. Lauf, Skilanglauf) zeigen auch plyometrisch und schnellkräftig ausgeführte Übungen (Schnellkraftmethode mit < 80 % 1RM; 2-5 Serien je 1-10 Wdh.; hohe Bewegungsgeschwindigkeit) eine positive Wirkung 4, IV. In Sportarten, die nicht von der Körpermasse abhängig sind und höhere Kraftanforderungen beinhalten (z. B. Bahnrad Sprint, Kanu, Rudern), ist auch die Hypertrophiemethode (> 80 % 1RM; 2-5 Serien je 8-15 Wdh.) zu nutzen. Das in der Praxis häufig eingesetzte Kraftausdauertraining (z. B. < 80 % 1RM; 2-4 Serien je 15-30 Wdh; kurze Pausen) ist trotz seiner scheinbar weniger bedeutenden Effekte auf die komplexe Ausdauerleistung aus verletzungsprophylaktischer Sicht und zur Vorbereitung auf das Training mit der IK-Methode (Methodenkette) nicht zu unterschätzen. Bei der Auswahl der Krafttrainingsmethode sind die individuellen Voraussetzungen sowie Stärken und Schwächen des Athleten zu beachten 6.


Welche Übungen soll ich einsetzen?

Die Übungsauswahl orientiert sich an der Sportartspezifik und der Frage, welche Muskelgruppen in welchen Gelenkwinkelbereichen und mit welchen Muskelaktionen aktiv sind 4, V. Auch für Ausdauersportarten sind Langhantelübungen (z. B. Kniebeuge, Reißen, Kreuzheben, Ausfallschritte) sowie Übungen am Seilzug oder Maschinen (z. B. Beinpresse) zweckmäßig. Mit Blick auf die sportartspezifischen Anforderungen gilt es, sinnvolle Übungsketten zu entwerfen und Übungen mit steigender Sportartspezifik zu integrieren. Dabei ist ein optimaler Transfer auf die spezifische muskuläre Leistung zu erwarten, wenn neben dem grundlegenden Krafttraining auch semispezifisches (z. B. Sprungübungen) und spezifisches Krafttraining eingesetzt wird 6. Hinsichtlich der Übungsanzahl zeigen sich positive Effekte bei 2-6 Übungen pro Einheit.


Wie oft und wie lange soll ich das grundlegende Krafttraining integrieren?

Wichtig für die Trainingshäufigkeit ist der angestrebte Trainingseffekt, wobei insgesamt eher längere Trainingsphasen (> 12 Wochen) mit 1-2 Einheiten pro Woche Leistungszuwächse versprechen 4. Ist die Bewegungsökonomie im Fokus oder kommen hohe Lasten zum Einsatz, sollte das grundlegende Krafttraining langfristig integriert werden (> 24 Einheiten bzw. 1-2 Einheiten über > 12 Wochen). Um die maximale muskuläre Leistung bei Ausdauerathleten zu steigern (Schnellkraftmethode) oder beim Einsatz der Hypertrophiemethode, sind 2-3 Einheiten pro Woche und kürzere Trainingsphasen zielführend 2 , 7.


Wann sollte ich das grundlegende Krafttraining integrieren?

Tab. 1: Übersicht über das grundlegende Krafttraining in Ausdauersportarten.

Folgt das grundlegende Krafttraining auf ein aerobes Ausdauertraining (direkt oder getrennt durch < 6 h), sind bessere Effekte auf die Entwicklung der Ausdauerleistung und Bewegungsökonomie zu erwarten als andersherum 2 , 6. Die Gründe sind zum einen, dass der Interferenzeffekt dadurch höher und die vor allem in körpergewichtsabhängigen Ausdauersportarten (z. B. Lauf, Skilanglauf) nicht angestrebte Muskelhypertrophie 2 , 8 eingeschränkt ist. Zum anderen führt ein grundlegendes Krafttraining bis zu 24 h (teilweise auch 48-72 h) danach zu einer reduzierten Bewegungsökonomie, wodurch die Qualität und der Effekt des Ausdauertrainings beeinträchtigt sein kann 4, 5, 6. Dies spricht für das grundlegende Krafttraining vor einem Ruhetag. In Ausdauersportarten, in denen ein Muskelaufbau gewünscht ist oder wenn Reserven diesbezüglich gesehen werden, sollte das grundlegende Krafttraining vor oder zeitlich möglichst weit (> 6-24 h) vom Ausdauertraining entfernt liegen. Außerdem sollte das Krafttraining der oberen Extremitäten mit dem Ausdauertraining der unteren Extremitäten (oder andersherum) gekoppelt oder das Krafttraining mit dem Sprinttraining kombiniert werden 6, 7.

Die Einordnung des grundlegenden Krafttrainings in die Jahresstruktur ist sportartspezifisch und abhängig von den jeweiligen Zielen der Trainingsphasen. Da die Hypertrophie umso stärker unterdrückt wird, je höher der Umfang an Ausdauertraining ist 6, scheint das Training mit hohen Lasten vor allem für körpergewichtsabhängige Ausdauersportarten in umfangsbetonten Phasen zielführend zu sein 4. In Phasen mit geringem Ausdauertrainingsumfang (z. B. Saisonbeginn) oder in Intensitätsphasen kann ein grundlegendes Krafttraining stärker zu einem Muskelaufbau führen. Wird dieser nicht angestrebt, sollten die Schnellkraftmethode/Sprünge genutzt oder die Wiederholungszahlen beim Training mit hohen Lasten reduziert werden. Die neuromuskulären Voraussetzungen können in der Wettkampfphase durch ein im Umfang reduziertes, grundlegendes Krafttraining alle 7-10 Tage stabilisiert werden 4. Aufgrund des negativen Einflusses auf die Bewegungsökonomie sollte das grundlegende Krafttraining 3-7 Tage vor einem Wettkampf vermieden werden. Einen Überblick gibt die Tabelle 1. 


Handlungsempfehlungen

Nutze neben dem spezifischen Krafttraining das grundlegende Krafttraining mit hohen Lasten (> 80 % des 1RM) und geringen Wiederholungszahlen (2-5 Serien je 1-5 Wdh.), um die Ausdauerleistung positiv zu beeinflussen, ohne den Ausdauertrainingseffekt zu minimieren. Ist der Muskelaufbau nicht im Fokus, sollte dabei das grundlegende Krafttraining nach dem Ausdauertraining stattfinden.

Wähle die Häufigkeit, die Ausrichtung, die Zyklisierung und die Übungsauswahl im grundlegenden Krafttraining anhand deiner Sportartspezifik (v. a. in Abhängigkeit von der Körpermasse/ Muskelhypertrophie) und orientiere dich an den individuellen Stärken und Schwächen deines Athleten.

Führe das grundlegende Krafttraining schrittweise ein und kontrolliere die Qualität der Übungsausführung, bevor hohe Lasten genutzt werden.

Weniger ist mehr – eine Ausbelastung in den einzelnen Serien sowie hohe Übungs- und Serienanzahlen sind nicht von Vorteil.

Achte darauf, dass die Bewegungsökonomie bis zu 78 h nach einem Training mit hohen Lasten beeinträchtigt ist.

Literatur
  1. Doma, K., Deakin, G. B. & Bentley, D. J. (2017). Implications of impaired endurance performance following single bouts of resistance training: An alternate concurrent training perspective. Sports Med, 47 (11), 2187-2200.
  2. Garcia-Pallares, J. & Izquierdo, M. (2011). Strategies to optimize concurrent training of strength and aerobic fitness for rowing and canoeing. Sports Med, 41 (4), 329-343.
  3. Rønnestad, B. R. & Mujika, I. (2014). Optimizing strength training for running and cycling endurance performance: A review. Scand J Med Sci Sports, 24 (4), 603-612.
  4. Schumann, M. & Rønnestad, B. R. (2019). Concurrent Aerobic and Strength Training. Scientific Basics and Practical Applications. Cham: Springer.
  5. Aagaard, P. & Andersen, J. L. (2010). Effects of strength training on endurance capacity in top-level endurance athletes. Scand J Med Sci Sports, 20 (S 2), 39-47.
  6. Berryman, N., Mujika, I., Arvisais, D., Roubeix, M., Binet, C. & Bosquet, L. (2018). Strength training for middle- and long-distance performance: A meta-analysis. International Journal of Sports Physiology and Performance, 13 (1), 57-64.
  7. Berryman, N., Mujika, I. & Bosquet, L. (2019). Concurrent training for sports performance: The two sides of the medal. Int J Sports Physiol Perform, 14 (3), 279-285.
  8. Chilibeck, P. D., Syrotuik, D. G. & Bell, G. J. (1999). The effect of strength training on estimates of mitochondrial density and distribution throughout muscle fibres. Eur J Appl Physiol Occup Physiol, 80 (6), 604-609.1.
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