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Staatliche Ballett- und Artistikschule Berlin − wie Talente im kulturellen Kontext gefordert und gefördert werden

Autor: Uwe Podwojski & Johanna Ochs
Stand: 2022

Die Staatliche Ballett- und Artistikschule Berlin ist eine berufsbildende Schule ab der 5. Klasse, deren Schüler*innen die Schule in der Regel mit Abitur und einer Ausbildung als Artist*in oder Bühnentänzer*in verlassen. Insgesamt besuchen 260 Schüler*innen aus 15 Ländern die Schule. Die angehenden Tänzer*innen und Artist*innen werden in den allgemeinbildenden und theoretischen Fächern gemeinsam ausgebildet. Daneben erhalten sie jede Woche bis zu 24 Stunden sportfachlichen Unterricht. Die Klassenstärke beläuft sich dabei auf 6-12 Kinder. Der Unterricht findet an 6 Tagen pro Woche statt, wobei nicht mehr als 54 Unterrichtsstunden pro Woche ab 11 Klasse unterrichtet werden. Die Schüler*innen werden dabei von mehr als 100 Mitarbeiter*innen betreut, darunter 20 Artistiklehrer*innen, 12 Pianist*innen, die alle Tanzeinheiten (vorwiegend Bühnentanzabteilung) live begleiten, sowie Mitarbeiter*innen des Internats. Es stehen 76 Internatsplätze zur Verfügung.


Studie:
Beitrag im Rahmen des Nachwuchsleistungssport-Symposiums 2022 vom 9-11. Mai in Leipzig
Zur Studie
http://www.artistenschule-berlin.de/
Take-aways

Arbeite, wenn möglich, in möglichst kleinen Gruppen mit deinen Sportler*innen, um sie so individuell fördern und fordern zu können.

Achte bei jungen Athlet*innen immer auf eine ganzheitliche Ausbildung, damit sie möglichst lang ihren Beruf ausüben können. Dazu zählen auch ein allgemeines Körpergefühl und Themen wie Ernährung oder Verletzungsprophylaxe.

Unterstütze Sportler*innen, die aus dem Leistungsbereich aussteigen, dennoch ihren Weg im System gehen zu können.

Zusammenfassung

Aufnahmeprüfung

Die Staatliche Ballett- und Artistikschule Berlin kann ab der 5. Klasse besucht werden. Grundlage für die Aufnahme ist das Bestehen einer Aufnahmeprüfung. Im Rahmen dieser Prüfung absolvieren die Schüler*innen unterschiedliche Aufgaben einer standardisierten Testbatterie, die seit mehreren Jahren unverändert ist. Die verschiedenen Bereiche, welche die Testbatterie abprüft, sind: körperliche Belastbarkeit, koordinative Fähigkeiten, Bodenakrobatik, darstellerische Ausdruckskraft, individuelle körperlich-künstlerische Fähigkeiten, Bewegungstalent, ästhetisches Erscheinungsbild sowie eine medizinische Eignungsprüfung. Die konkreten Testaufgaben sind beispielsweise Rolle vorwärts und rückwärts, Klimmzüge, Liegestütz, Handstand sowie verschiedene Tests zur Rücken- und Schulterbeweglichkeit sowie weitere koordinative Aufgaben.


Allgemeine Ausbildung

In den ersten beiden Schuljahren liegt der Schwerpunkt der sportfachlichen Ausbildung auf der konditionellen Grundausbildung. Diese umfasst eine Schwerpunktsetzung in den Bereichen Ausdauer, Kraft, Koordination und Beweglichkeit sowie Dehnung. Alle wesentlichen Muskelgruppen für die weitere Ausbildung werden umfassend trainiert. Die Verletzungsprävention und die Entwicklung des Körpergefühls ist das wesentliche Ziel.

In der 7. und 8. Klasse erlernen die Kinder die artistischen Grundlagen in 6-7 Disziplinen. Diese sind u. a. Akrobatik, Jonglage, Trapez, Drahtseil, Äquilibristik, Gruppendarbietung. Hierzu werden verschiedene Elemente aus allen Bereichen der Artistik gelehrt, so z. B. Trapez, Jonglage, Drahtseil, Handstände und Handstandgehen, Tanz oder Bodenakrobatik. Der sportliche Teil der Ausbildung untergliedert sich in 50 % allgemeines Training sowie 50 % spezielles Training. Hierdurch lassen sich in dieser Phase herausragende Talente identifizieren.


Individuelle Ausbildung

Ab der 9. Klasse findet die Ausbildung in sehr kleinen Gruppen statt, sodass eine annähernd individuelle Ausbildung gewährleistet werden kann. Konkret haben die Schüler*innen in der 9. und 10. Klasse die Möglichkeit, drei Disziplinen jeweils über einen Zeitraum von sechs Monaten vertiefend, ohne Druck zu erlernen. 18 Trainingsstunden pro Woche sind hierfür im Stundenplan vorgesehen. Im zweiten Halbjahr der 10. Klasse bereiten sich die Schüler*innen auf eine erneute Qualifikationsprüfung über die Berufsfachschule vor.


Ausbildung in der Berufsfachschule

Die Aufnahme in den Berufsfachschulzweig erfolgt durch eine Prüfung in Form einer vier- bis fünfminütigen Darbietung. Zu dieser Prüfung sind neben den Schüler*innen der staatlichen Ballett- und Artistikschule Berlin auch externe Bewerber*innen zugelassen. Nach erfolgter Aufnahme erzielen die Schüler*innen in der 11. bis 13. Klasse neben dem Abschluss der Schulausbildung auch eine Ausbildung in einem oder zwei Genres. Mit dem Abschluss der schulischen und beruflichen Ausbildung erhalten die Schüler*innen die Möglichkeit an einer organisierten Deutschlandtour teilzunehmen, um mögliche Arbeitgeber kennenzulernen.


Weitere Inhalte in der Ausbildung

Neben der artistischen Ausbildung absolvieren die Schüler*innen eine tänzerische Ausbildung mit klassischem Tanz, Modern Dance und zeitgenössischem Tanz sowie in Schauspiel und Showentwicklung. Dabei werden alle Elemente der Showentwicklung berücksichtigt, wie Auswahl von Kostümen, Musik und Programmentwicklung.

Um die Schüler*innen bestmöglich auf ihren späteren Beruf vorzubereiten werden die Themen Ernährung und Verletzungsprophylaxe ausführlich behandelt. In Anwendungsworkshops können die Schüler*innen ihr erworbenes Wissen unmittelbar anwenden.


Ausbildung Bühnentanz

Neben der Ausbildung als Artist*in gibt es auch die Möglichkeit, eine Ausbildung als staatlich geprüfte/r Bühnentänzer*in nach dem Leitfaden der Waganowa-Methode für klassisches Ballett zu durchlaufen. Diese Methode beinhaltet die Elemente der italienischen und französischen Schule sowie Einflüsse russischer Tänzer*innen. Auch hier werden die Kinder ab der 5. Klasse aufgenommen und erhalten zunächst eine allgemeine und dann eine spezialisierte Ausbildung nach der oben genannten Methode.


Drop-out Regelung

In Ausnahmefällen kann es dazu kommen, dass Schüler*innen nicht  die berufliche Ausbildung absolvieren können. Damit diese die Schule nicht verlassen müssen, sondern in ihrem gewohnten Umfeld einen Schulabschluss (Abitur) ablegen können, gibt es einen eigenen Kurs aus Tanz und Theater und einem theoretischen Schwerpunkt. Diese Schüler*innen verlassen die Schule mit Abitur, aber ohne eine zusätzliche Ausbildung.


Auftritte während der Ausbildung

Während der gesamten schulischen Ausbildung haben die Schüler*innen Gastspiele und Auftritte außerhalb der Schule. Während die jüngeren Kinder ausschließlich Auftritte in Deutschland haben, treten die volljährigen Schüler*innen auch international auf. So finden Reisen u. a. nach Frankreich, China, Chile oder auch Kuba statt. Die jüngeren Schüler*innen zeigen auf den Auftritten Ausschnitte aus ihrer Ausbildung, während die älteren Schüler*innen auch mit eigenen Shows oder auf Wettkampffestivals auftreten. Hierzu werden Partnerschaften und Kooperationen mit unterschiedlichen Institutionen gepflegt.


Talentgewinnung

Die Schule ist nicht Teil des Programms „Berlin hat Talent“. Zur Besetzung der jährlich zur Verfügung stehenden 10 Plätze und Schaffung eines ausreichenden Bewerberpools von ca. 50-80 Bewerbungen betreibt die Schule eigene Aktivitäten zur Talentgewinnung. Daher fördert die Staatliche Ballett- und Artistikschule Berlin Nachwuchsgruppen an der eigenen Schule. Dazu kommen zum kostenpflichtigen Training mehrfach pro Woche Grundschulkinder an die Schule. Im Training werden die ersten Kenntnisse zur Akrobatik mit sportspielerischen Elementen vermittelt. Dabei wird auf eine gute Körperhaltung geachtet, um eine gesunde Entwicklung zu unterstützen. Weiterhin sichten die Lehrkräfte der Schule Kinder in Berliner Grundschulen, indem sie dort Einblicke in den Sportunterricht erhalten. Auch die Auftritte der eigenen Schüler*innen dienen zur Außendarstellung und Talentgewinnung.


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