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Eine einheitliche Technikphilosophie im Deutschen Skiverband – Realität oder Wunschdenken?

Technik, die begeistert.

Autor: Ronny Fudel & Axel Teichmann
Stand: 2022

Die Technik der weltbesten Skilangläufer*innen verändert sich auf Grund verschiedener Faktoren permanent. Diese erhöhten Anforderungen müssen bereits im Nachwuchstraining vorbereitet werden. Der Deutsche Skiverband (DSV) arbeitet dafür zusammen mit dem Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) an einer Technikphilosophie, die durch die Umsetzung mehrerer Maßnahmen ein einheitliches Know-how und systematisches Vorgehen von der Elite bis zur Basis in den Vereinen sicherstellt: Insgesamt elf digitale Technikmanuals stellen aktuelle Technikkriterien modern und nutzerfreundlich dar. Anhand von altersspezifischen Beobachtungsmerkmalen wird mit einer Technikbewertung im Deutschen Schülercup der aktuelle Leistungsstand analysiert und für jede*n Teilnehmer*in ein individuelles Feedback erarbeitet. Passende Trainingsübungen zur Verbesserung verschiedener Leistungsfaktoren sind auf der RTK online dargestellt.


Studie:
Vortrag im Rahmen des NWLS-Symposiums 2022 vom 9-11.05.2022 in Leipzig
Zur Studie
https://rtk.skilanglauf.sport-iat.de/trainingsetappen/lla/technik
Take-aways

Erarbeite Technikkriterien, die auf dem aktuellen Forschungstand und Expertenwissen basieren.

Wähle daraus einfach sichtbare Beobachtungmerkmale für eine Technikbewertung aus.

Führe regelmäßig eine standardisierte Technikbewertung durch und gib Feedback an Athlet*innen und Trainer*innen.

Erarbeite passende Trainingsübungen zur Verbesserung der Technik.

Stelle all diese Materialien für Sportler*innen und Trainer*innen zur Verfügung.

Zusammenfassung

Die Weltspitze im Blick behalten

Die Technik im Skilanglauf hat sich in den vergangenen Jahren enorm weiterentwickelt. Sprintrennen, Massenstarts und kürzere Distanzen sowie besseres Material und harter, fester Kunstschnee sorgten dafür, dass sich Laufgeschwindigkeiten, Zyklusfrequenzen und Kraftimpulse stetig erhöhten. Diese Veränderungen müssen folglich auch Auswirkungen auf das Nachwuchstraining haben. Um die aktuellen Technikentwicklungen für Nachwuchstrainer*innen und -athletinnen darzustellen, erarbeitete der Deutsche Skiverband gemeinsam mit dem IAT elf Technikmanuale, die anhand von Schlüsselpositionen, wichtigen Bewegungskriterien, theoretischen Begründungen und methodischen Hinweisen das Fundament für eine einheitliche Technikphilosophie darstellen.

Die Inhalte ergaben sich aus Forschungsergebnissen internationaler Studien und Expertenwissen erfolgreicher Trainer*innen und Athlet*innen die in vielen Stunden mühevoller Kleinarbeit die optimalen Formulierungen für die Technikmanuale verfasst haben. Die Darstellung der Zieltechnik erfolgte über die Illustrierung von Videosequenzen von Sportlern der deutschen Skilanglauf Nationalmannschaft: https://rtk.skilanglauf.sport-iat.de/trainingsetappen/lla/technik


Technikanalyse im Nachwuchs

Für jede der elf Techniken gibt es eine einseitige Übersicht, auf der kurz und knapp die Ausbildungsschwerpunkte für die Allgemeine Grundausbildung und das Grundlagentraining dargestellt sind. Anhand dieser Ausbildungsschwerpunkte entwickelte man im IAT Nachwuchsleistungssportprojekt Technikbewertungen für die fünf wichtigsten Techniken. Im Rahmen des Deutschen Schülercups der Sportarten Biathlon, Nordische Kombination und Skilanglauf wurden alle Teilnehmer*innen aus zwei Perspektiven gefilmt und die Bildausschnitte der Schlüsselpositionen anhand von Beobachtungsmerkmalen bewertet. Jede*r Athlet*in bekam einen individuellen Auswertungsbogen mit zwei Bildreihen und Technikhinweisen.


Abb. 1: Beispiel Bewertungs-bogen Skating 1-1

Alle Daten der Technikbewertungen flossen in eine übergreifende Analyse ein, die Fragestellungen wie Hauptfehlerbilder, Altersunterschiede oder Geschlechterunterschiede beinhaltete. Die Ergebnisse wurden bei Aus- und Fortbildungsveranstaltungen des DSV vorgestellt.


Abb. 2:  Hauptfehlerbilder der Technikbewertung Doppelstockschub im Deutschen Schülercup 2019 im Vergleich zur Zieltechnik

Als Fehlerschwerpunkt stellte sich dabei beispielsweise die KSP-Lage in der Ausgangsposition der Skating 1-1 und im Doppelstockschub heraus.


Abb. 3: Anteil der erfüllten/nicht erfüllten Technikkriterien Skating 1-1 im Deutschen Schülercup Skilanglauf 2020

Unterschiede zwischen Geschlechtern, Altersklassen oder Leistungsgruppen konnten hingegen nicht festgestellt werden. Das heißt, anhand der Technikbewertung kann man nicht erkennen, dass zum Beispiel die zehn schnellsten Athlet*innen eines jeweiligen Jahrgangs eine bessere Technik laufen als die anderen Teilnehmer*innen. Wettkampferfolge im Schüleralter basieren also wahrscheinlich eher auf konditionellen Faktoren. Besonders in dieser Ausbildungsetappe, in der die Technikausbildung eigentlich einen höheren Stellenwert hat als die Kondition, muss also dafür gesorgt werden, dass eine gute Technik auch im Wettkampf mehr Einfluss hat. Das schafft man beispielsweise durch Technikzonen, vielseitige Hindernisse und Geländeformen oder eben Technikbewertungen.


Um die Auswertung für die Trainer*innen zukünftig schneller und einfacher zu gestalten, programmierte ein Entwickler des Fachbereichs Sportinformatik am IAT eine sportartübergreifende Software zur Durchführung von Technikbewertungen, die Video- und Bildbearbeitung, Bewertung und Erstellung der Auswertungsbögen in einer Anwendung ermöglicht.


Abb. 4. Screenshot der IAT-Technikbewertungssoftware

Da 2021 aufgrund der Corona-Pandemie keine Wettkämpfe stattfanden, absolvierten die Sportler*innen die Technikbewertung in Form einer Challenge eigenständig zu Hause. Dazu nahmen sie selbstständig ein Technikvideo auf, uploadeten es auf die IAT Cloud und bekamen ihren Bewertungsbogen per E-Mail über ihre Trainer*innen zugestellt. Über 400 Sportler*innen nahmen in den drei Sportarten an der Technikchallenge teil.

Im Nachhinein stellte sich dieser Prozess für die Verbreitung der Technikphilosophie als sehr gewinnbringend heraus, da sich Trainer*innen und Sportler*innen nun viel intensiver mit dem Thema Technik auseinandersetzten und selbst tätig werden mussten.


Potentiale erkennen und erfolgreich umsetzen

Nun, da die individuellen Verbesserungspotentiale anhand der Technikbewertungen dargestellt wurden, können die Athlet*innen mit Hilfe von allgemeinen und spezifische Trainingsübungen, die auf https://rtk.skilanglauf.sport-iat.de dargestellt sind, ihre Technik verbessern.

Dass aus Wunschdenken Realität werden kann und ein konsequentes methodisches Umsetzen der Technikphilosophie zum Erfolg führt, zeigte sich am Beispiel von Victoria Carl, die seit 2017 systematisch an den Technikkriterien arbeitet. In den Schubtests steigerte sie ihre Leistung seitdem kontinuierlich um 2-3% pro Jahr. Auf der Zielgeraden des Olympischen Teamsprints von Peking 2022 überholte sie dank ihres starken Doppelstockschubs zwei Kontrahentinnen und konnte so sensationell den Olympiasieg für das deutsche Team sichern. Mit den Technikmanuals, der Technikbewertung und den Trainingsübungen auf der RTKonline hat der DSV Werkzeuge, um eine einheitliche Philosophie bis an die Basis zu vermitteln. Diese gilt es nun weiterhin in der Praxis zu anzuwenden, um hoffentlich bald weitere Erfolge feiern zu können.


Literatur
  1. Pellegrini, B., Stöggl, T. L., & Holmberg, H. C. (2018). Developments in the biomechanics and equipment of Olympic cross-country skiers. Frontiers in physiology, 9, 976.
  2. Sandbakk, O. & Holmberg, H. C. (2014). A reappraisal of success factors for Olympic cross-country skiing. International Journal of Sports Physiology and Performance, 9 (1), 117-121.
  3. Stöggl, T. & Stöggl, R. (2013). Cross-country skiing in the 21st century - Altered demands and consequences for training in children and youths. In A. Hakkarainen, V. Linnamo & S. Lindinger (Hrsg.), Science and nordic skiing II (S. 73-85). Salzburg: University of Salzburg.
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