Die Auswirkungen der Corona-Pandemie waren auch im Tischtennis gravierend. Das regelmäßige Kräftemessen der Athletinnen und Athleten des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) mit der Konkurrenz insbesondere aus dem asiatischen Raum war durch Corona nicht mehr möglich. Für die deutschen Tischtennisasse um Dimitrij Ovtcharov ergaben sich folglich Änderungen im Jahreskalender, die aber offenbar positive Auswirkungen hatten. Wo zuvor die hohe Wettkampfbelastung kaum Möglichkeiten für die Gestaltung von gezielten Trainingsblöcken zuließ, konnten Trainingseinheiten in der Vorbereitungssaison 2020/2021 spezifischer und strukturierter erfolgen. An dieser Stelle unterstützten die wissenschaftlichen Mitarbeiter des IAT, Sascha Nimtz und Torben Schwieder, mit systematischen Spielanalysen und konnten hierbei verstärkt Stärken-/Schwächenprofile aufzeigen. Die Vor- und Nachbereitung der Spiele erfolgte über Online-Sessions. Im persönlichen Austausch mit den Spieler*innen erörterte Trainingswissenschaftler Sascha Nimtz die individuellen Stärken und Reserven aus der quantitativen und qualitativen Datenerfassung. Zudem floss das subjektive Empfinden der Sportlerin oder des Sportlers in die Analyse ein. Für die wöchentlichen Online-Sessions mit Ovtcharov und den anderen Top-Spieler*innen analysierten die IAT-Experten außerdem, wie Gegner*innen in einem ähnlichen Spielsystem spielen, um daraus Handlungsempfehlungen für die deutschen Spieler*innen abzuleiten. So konnte der Praxistransfer für Ovtcharov und Co. sogar intensiver und weitaus flexibler gestaltet werden als in der Vor-Corona-Zeit. Aufgrund der positiven Resonanz werden die Online-Sessions auch in der Nach-Corona-Zeit ein adäquates Tool zum Wissenstransfer bleiben - vor allem aufgrund der hohen Flexibilität in der Zeit- und Ortsplanung.
Ein Forschungsschwerpunkt der Fachgruppe Tischtennis im laufenden Olympiazyklus waren die Auswirkungen des neuen Materials des Tischtennisballs, das 2014 auf Plastik umgestellt wurde. Im Fokus stand die Analyse von Anpassungen im technisch-taktischen Spielverhalten aufgrund der Veränderungen im Flugverhalten, der Rotation, dem Absprung und der Geschwindigkeit des Balls. Daraus leiteten die IAT-Wissenschaftler Handlungsanweisungen bezüglich des Aufschlag-/Rückschlag- und Angriffsverhaltens im Tischtennis ab. Die Ergebnisse dieser Analysen wurden als Schwerpunkte von den Trainern im Trainingsprozess 2021 berücksichtigt.
Des Weiteren wurde die wissenschaftliche Unterstützung durch zwei neue digitale Tools erweitert: die Gegner-Taktik-App und die Trainingsdatendokumentation IDA. Beide wurden schwerpunktmäßig 2020 entwickelt, so dass sie pünktlich zur Olympiavorbereitung zur Verfügung standen. Bei IDA handelt es sich um ein Datenmanagementsystem zur Dokumentation und Analyse von Trainings-, Wettkampf- und Leistungsdaten, für dessen Entwicklung am IAT der Fachbereich MINT verantwortlich ist. Die Gegner-Taktik-App, die gemeinsam mit der Fachgruppe Badminton entwickelt wurde, dient als Tool für eine intensive Wettkampfvor- und -nachbereitung und für einen vereinfachten Austausch zwischen Wissenschaftler*innen, Trainer*innen und Athlet*innen. Hier können Gegnerprofile aufgerufen werden, bei denen sowohl Videos Gegner*innen, aber auch Notizen von Wissenschaftler*innen, Trainer*innen und Sportler*innen selbst hinterlegt werden. Für einen ständigen Zugriff auf die Inhalte ist die App auch offline funktionsfähig. Auch vor Ort in Tokio können Spieler*innen und Trainer*innen die Gegner-Taktik-App nutzen, um sich optimal auf das Spielverhalten der nächsten Gegner*innen einzustellen.
In der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele konnte die wissenschaftliche Unterstützung für die DTTB-Asse somit deutlich intensiviert und gesteigert werden. Nun bleibt den IAT-Wissenschaftlern nur noch, vorm heimischen Bildschirm fest die Daumen drücken.