Sportart- und länderübergreifender Nutzen im Blick

Erste Nachwuchsleistungssport-Projektgeneration vor dem erfolgreichen Abschluss

Die Qualität in der Talentidentifikation und -entwicklung zu erhöhen, ist übergreifende Zielstellung der Projekte im Nachwuchsleistungssport, die seit Anfang 2020 am Institut für Angewandte Trainingswissenschaft dank Unterstützung der Bundesländer laufen.  „Um dieses Ziel zu erreichen, wollen wir gemeinsam mit unseren Partnern in den Verbänden, den Landessportbünden und den Ländern die Maßnahmen zur Talentidentifikation, das Training und die Wettkämpfe vom Nachwuchs- hin zum Spitzensport konsistent gestalten“,erläutert Dr. Antje Hoffmann, Fachbereichsleiterin Nachwuchsleistungssport. Die Projekte des IAT ordnen sich in vier thematischen Säulen ein: (1) Leistungsvoraussetzungen erfassen und Potenzial einschätzen, (2) Training und Wettkampf analysieren und evaluieren, (3) Fördersysteme im Nachwuchsleistungssport evaluieren und weiterentwickeln sowie (4) Konzeptionen nutzbar machen und Trainerhandeln verbessern. Zum Jahresende 2021 werden nun die ersten Projekte abgeschlossen.

Leitfaden für Schwimmtechnik

In der Säule „Training und Wettkampf analysieren“ hat Projektleiterin Alexandra Eberhardt gemeinsam mit Expert*innen der kooperierenden Verbände Deutscher Schwimm-Verband, Deutsche Triathlon-Union und Deutscher Verband für Modernen Fünfkampf sowie der Fachgruppe Schwimmen des IAT das Projekt Schwimmtechnik bearbeitet. „Ausgangspunkt aller Verbände waren von den Trainer*innen beschriebene Defizite der Nachwuchsathlet*innen in der Schwimmtechnik,“ erklärt Alexandra Eberhardt. Deshalb ging es im Projekt darum, gemeinsam in einem Expertenteam geeignete Hilfestellungen für Trainer*innen zu entwickeln, damit diese die Qualität der Schwimmbewegungen besser einschätzen und somit die schwimmerische Grundausbildung verbessern können. In kooperativer, transdisziplinärer Arbeitsweise haben sich die beteiligten Partner zunächst auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt. „Anschließend haben wir in mehreren Abstimmungsrunden und Workshops ein gemeinsames Technikverständnis entwickelt und notwendige Tools konzipiert, um diese Technikphilosophie allen Trainer*innen zugänglich zu machen. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse flossen dabei ebenso ein wie eigene Erfahrungen der beteiligten Trainer*innen und Trainingswissenschaftler*innen“, so die Projektleiterin.  
Zunächst entstand ein kompletter Technik-Leitfaden für die Schwimmtechnik Kraul – mit Sollvorgaben zur Basistechnik im Nachwuchsleistungssport, auftretenden Abweichungen zum Sollbild, Kriterien zur Technikbeurteilung und Impulsen zur Technikvermittlung. „In einem weiteren Schritt war es allen Beteiligten wichtig, die erarbeiteten Ergebnisse auch in einem anschaulichen, flexiblen und ständig verfügbaren Format zu präsentieren“, betont Alexandra Eberhardt. So wurde die Idee einer Online-Plattform entwickelt, in welcher der Leitfaden mit Technik-Illustrationen, Videos, Bewegungsbeschreibungen, Fehlerbildern, Korrekturhinweisen und -übungen eingebunden werden sollte. Dazu wurde die bereits für mehrere Sportarten am IAT entwickelte RTK-online genutzt, die Rahmentrainingskonzeptionen mit multimedialen Inhalten verfügbar macht und die für das Projekt um ein Technikmodul erweitert wurde. Die benötigten Visualisierungen setzte das Projektteam gemeinsam mit der Firma evoletics um.  Im Frühjahr 2021 fanden bei fünf KLD-Maßnahmen des Deutschen Schwimm-Verbands im Strömungskanal des IAT Videodrehs statt, in denen aus lateraler und frontaler Perspektive die Schwimmtechnik von Athlet*innen verschiedener Kaderstufen aufgezeichnet wurde.  Anhand der Aufnahmen konnte evoletics 22 Einzelbilder zur Illustration der Kraultechnik sowie animierte Grafiken beispielsweise zur detailgetreuen Abbildung eines Sechserbeinschlages sowie einer Dreieratmung erstellen. Diese sind mit allen weiteren Projektergebnissen in die erweiterte RTK-Plattform eingeflossen, die zum Projektabschluss Ende 2021 zur Nutzung freigeschaltet wird (siehe Abb. oben links).

Im Sinne der Nachhaltigkeit haben sich die Projektpartner darauf verständigt, dass die digitalen Inhalte verstärkt in der Traineraus- und -weiterbildung Anwendung finden sollen, um die Vermittlungskompetenz in Sachen Schwimmtechnik weiter zu erhöhen. Zudem werden die Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Entwicklung des Technikleitfadens von der Verständigung über ein gemeinsames Vorgehen bis zur digitalen Aufbereitung am IAT dokumentiert, damit diese auch durch andere Sportarten genutzt werden können.
 
Aufhellung des „Verständnisses erfolgreicher Förderung“

Den übergreifenden Nutzen für Deutschlands Nachwuchsleistungssport haben insbesondere auch die Projekte des IAT in der Säule „Fördersysteme im Nachwuchsleistungssport evaluieren und weiterentwickeln“ im Blick. Hier liegt das Hauptaugenmerk auf der Wirksamkeit von Förderstrukturen und Rahmenbedingungen für die Talententwicklung.  Es soll auch ein gemeinsames Verständnis entwickelt werden, was erfolgreiche Förderung überhaupt bedeutet. Damit befasst sich Alex Griesinger in seinem Projekt, das zu Beginn des nächsten Jahres zum Abschluss kommt.
„Wir haben aufbauend auf einer Literaturrecherche analysiert, welche Ziele die verschiedenen Institutionen und Organisationen in der Nachwuchsleistungssportförderung verfolgen, um daraus gemeinsame Prioritäten zu ermitteln“, erklärt Alex Griesinger. Dazu hat er mehr als 260 Dokumente zur Nachwuchsleistungssportförderung von 16 Landessportbünden- und verbänden, 16 Bundesländern, 7 Spitzenverbänden (Deutscher Behindertensportverband, Deutscher Kanu-Verband, Deutscher Ruderverband, Deutscher Tischtennisbund, Deutscher Judo-Bund, Deutscher Schwimmverband und Deutscher Skiverband) sowie des DOSB analysiert. Unter anderem untersuchte er Rahmentrainingskonzeptionen, Strukturpläne, Förderrichtlinien und Gesetze hinsichtlich der darin niedergeschriebenen Zielstellungen (siehe Abbildung unten).
Diese galt es anschließend, anhand einer Stakeholder-Befragung im deutschen Nachwuchsleistungssport zu priorisieren und in einer Zielmatrix darzustellen. Aktuell läuft die Durchführung der Befragung, mit der die Definition und Darstellung des Verständnisses erfolgreicher Förderung im Nachwuchsleistungssport finalisiert wird. Das Ergebnis fließt in die bis Ende 2023 weiterlaufenden Teilprojekte in der Säule 3 ein, in denen u. a. die Förderung in den Bundesländern und in den Spitzenverbänden, die Analyse individueller Karriereverläufe sowie das Themenfeld „Schulabschluss und sportliche Karriereentwicklung“ in den Blick genommen werden.