Seit Anfang des Jahres unterstützt das Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) Skateboarding. Der Fachgruppenleiter Dr. Niklas Noth hat diese Sportart selbst intensiv betrieben. „Es ist eine einzigartige Sportart, mit vielen spannenden Momenten“, sagt er.
Olympisch sind die beiden Disziplinen „Park“ und „Street“. In der Disziplin „Park“ werden die komplexen Sporttechniken, sogenannte Tricks, in einem kurvenartigen Parcours ausgeführt, der aus Halfpipes, Pools und Rampen besteht. In der Disziplin „Street“ werden komplizierte Trickkombinationen an Hindernissen ausgeführt, die Elementen aus dem Straßenbild nachempfunden sind, wie zum Beispiel Treppen oder Geländer. Bezüglich der Tricks an den Hindernissen (Obstacles) gibt es keine Vorgaben – jeder zeigt seine besten Tricks an den spektakulärsten Obstalces, um zu gewinnen. Es gibt fünf Judges, „die nach subjektiver Einschätzung werten“, erklärt Dr. Noth. Wesentliche Maßstäbe der Bewertung sind allgemein die routinierte, virtuose Ausführung, Vielfalt und Schwierigkeit der Tricks und ob diese in einer harmonischen Line stabil dargeboten werden. Eine besondere Bedeutung haben vor allem Individualität und Kreativität. Es gibt allerdings keine festgelegten Schwierigkeitsgrade wie in anderen akrobatischen Sportarten wie Gerätturnen oder Eiskunstlauf. „Die Bewertung im Skateboarding erfolgt auf der Grundlage von Bewertungskriterien und über das ‚kollektive Wissen‘, wie es typisch für die akrobatischen Freestylesportarten ist.“ Wie Dr. Noth erklärt, sei dies aber auch genauso gewollt. „Damit verändert sich die Sportart immer wieder und bleibt attraktiv für Zuschauer.“
Leistungsreserven erkannt
Bei olympischen Spielen wurde Skateboarding erstmals in Tokio ausgetragen. In der Disziplin Park verpasste die erst 14-jährige Lilly Stoephasius das Olympia-Finale nur knapp und landete auf einem sehr guten neunten Platz. Tyler Edtmayer startete mit gebrochenem Arm nach einem Trainingsunfall in Tokio. Trotz dieses Handicaps belegte er Rang 15. In der Disziplin Street konnten sich 2020 noch keine Deutschen für Olympia qualifizieren. Das lag nach Einschätzung der Bundestrainerin Street Lea Schairer an einem noch zu niedrigen Schwierigkeitsniveau der Tricks.
Generell sehen Lea Schairer und Park-Bundestrainer Jürgen Horrwarth eine wesentliche Leistungsreserve der Deutschen in der Erhöhung der Trickschwierigkeiten. Eine erste WM-Analyse der Männer belegt die Vielfalt und den hohen Individualisierungsgrad des Bewegungsrepertoires der internationalen Weltspitze. Beispielsweise wurden von den acht Finalisten insgesamt 68 verschiedene Tricks vorgeführt und bis zu zehn bewegungsstrukturell unterschiedliche Trickkategorien dargeboten. „Skateboarding ist sehr individuell. Viele Top-Athleten haben einen sogenannten Signature-Trick“, erklärt der IAT-Wissenschaftler.
Im neuen IAT-Projekt werden deshalb mithilfe von Wettkampfanalysen kontinuierlich objektive Daten ermittelt, um die Programminhalte der Weltspitze und der deutschen Skater*innen zu beschreiben. Hierfür werden angelehnt an die Judgingkriterien mithilfe eines Expertenratings Variablen erhoben, die einen ständigen Überblick zu leistungsbestimmenden Faktoren ermöglichen (z.B. Schwierigkeiten der Tricks). Die gewonnenen Erkenntnisse zu Entwicklungstendenzen, dem Leistungsstand und den Reserven sollen bei den Qualifikationswettkämpfen auf dem Weg zu Olympia 2024 die strategischen Entscheidungen der Trickauswahl unterstützen.