Größere Übersetzungen im Bahnradsport als Schlüssel zum Erfolg?

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Bahnrad und Straßenrad besteht darin, dass ersteres über lediglich einen Gang verfügt. Damit ist eine feste Übersetzung vorgegeben – und demzufolge eine feste Weglänge, die pro Kurbelumdrehung zurückgelegt werden kann. Daher ist es essenziell, die richtige Übersetzung zu wählen. In den vergangenen Jahren ist eine Tendenz zu größeren Übersetzungen zu beobachten. Wurde bei den Olympischen Spielen 2000 noch mit einer Übersetzung von 100 Zoll gefahren – was einer zurückgelegten Meterzahl von 7,7 Metern entspricht – so wird in Tokio eine Übersetzung von 130 Zoll erwartet, mit der bereits 10,3 Meter zurückgelegt werden können.

Konsequenzen größerer Übersetzungen

Das Forscherteam um die Fachgruppe Radsport am IAT stellte sich daher die Frage, wie dieser Trend der immer größer werdenden Übersetzungen wissenschaftlich erklärt werden kann. Aus rein physikalischer Sicht lässt sich erst einmal kein wesentlicher Vorteil großer Übersetzungen feststellen. Die Ergebnisse der IAT-Wissenschaftlerinnen zeigen jedoch, dass die großen Übersetzungen mit steigender Belastungsdauer aus physiologischer Perspektive deutlich günstiger sind, da der Frequenzbereich, in dem eine Athletin oder ein Athlet besonders gut Leistung entwickeln kann, mit Ermüdung immer weiter sinkt.
Die Trainingswissenschaftler*innen mussten dann auch die Frage beantworten, was dies für das Training bedeutet. Vor allem das Krafttraining der Athlet*innen muss darauf abgestimmt werden. Dies ist auch einer der Gründe dafür, weshalb es heute – vor allem im Ausdauerbereich der Männer – kaum noch Athleten gibt, die sowohl auf der Bahn als auch auf der Straße im Spitzenbereich fahren: Denn die zusätzliche Muskelmasse und damit auch die Ausprägung anderer Stoffwechselprozesse erschweren es dem Sportler, sowohl auf der Bahn als auch auf der Straße erfolgreich zu sein. International gesehen gibt es nicht einmal mehr eine Handvoll Athleten, denen dieser Spagat gut gelingt.

Unterstützung sowohl im Kurzeit- als auch im Langzeitbereich

Zu den von den IAT-Wissenschaftler*innen betreuten Athletinnen und Athleten gehören Emma Hinze, Pauline Grabosch, Lea-Sophie Friedrich, die bei der WM im Kurzzeitbereich (Sprint, Keirin, 500 m, Teamsprint) alle Titel geholt haben sowie Maximilian Levy und Stefan Bötticher. Zu den im Ausdauerbereich betreuten Athletinnen und Athleten gehören Lisa Brennauer, Lisa Klein, Mieke Kröger, Franziska Brauße und Gudrun Stock, die aufgrund ihrer Entwicklung in den vergangenen Jahren aktuell wieder zur Weltspitze in der Mannschaftsverfolgung zählen. Ein Schlüssel zum Erfolg war, dass die beiden Straßenprofifahrerinnen Lisa Brennauer und Lisa Klein wieder für die Bahn begeistert und auch erfolgreich in den Vierer integriert werden konnten „Unser Frauenvierer ist extrem konkurrenzfähig“, sagt Katharina Fischer von der Fachgruppe Radsport.
Die Vorbereitung stellte das Team vor eine besondere Herausforderung: Lisa Brennauer und vermutlich auch Lisa Klein werden in Tokio nicht nur in den Bahndisziplinen an den Start gehen, sondern schon davor Straßenrennen und Einzelzeitfahren bestreiten, was eine frühere Anreise nach Tokio erfordert, sodass sich der Rest des Teams mit Sparringspartnern zunächst weiter in Frankfurt/Oder vorbereitet. „Aber die Mädels sind in der Lage auch diese Situation gut zu meistern, sodass wir optimistisch auf Tokio schauen können“,  schätzt Katharina Fischer ein.