Mit Kampf-Intelligenz wollen die deutschen Judokas bei den Olympischen Spielen punkten. Klar ist, es wird unheimlich schwer, Medaillen zu erkämpfen. Bereits die dreijährige Qualifikation für Tokio war eine enorme Leistung, weil die internationale Leistungsdichte und -breite zugenommen hat. Beispielsweise Athlet*innen, die in Japan, Russland oder Georgien ausgebildet wurden, starten dann für kleinere Nationen auf der ganzen Welt. Somit wird die Anzahl derjenigen, die ein Spitzenniveau haben, immer größer. „Unter den Top-30 der Weltrangliste gibt es niemanden mehr, der nicht Profi ist. Deshalb sind wir froh, dass sich in allen Gewichtsklassen, in denen wir jemanden darauf vorbereitet haben, für die Olympischen Spiele qualifiziert ist“, schätzt IAT-Wissenschaftler Stefan Leonhardt ein. Ein hohes Niveau ist nach wie vor in Asien vorhanden. In Ländern wie Japan, Korea, Mongolei oder Usbekistan hat Judo einen höheren Stellenwert als in Deutschland. So kommen vor allem in den leichten Gewichtsklassen die Top20 vor allem aus diesen Nationen und dann folgen erst Europäer*innen oder Südamerikaner*innen.
Stefan Leonhardt hat die deutsche Mannschaft auch bei den Weltmeisterschaften Anfang Juni in Budapest (Ungarn) mit Gegneranalysen unterstützt. „Wir diskutieren dann gemeinsam mit den Trainern eine Strategie für den nächsten Tag. Für mich bedeutet das dann immer eine Nachtschicht, um die kleinen Raffinessen des Gegners für uns nutzen zu können.“ Auch bei der Vorbereitung auf die WM hatte der Wissenschaftler das Team unterstützt.
Die Corona-Pandemie hatte unterschiedliche Auswirkungen auf die Sportler*innen. Vor allem im männlichen Bereich fehlten die Kämpfe und Trainingsstunden gegen starke internationale Gegner. „Die Rückstände waren bei der WM bei vielen Nationen zu sehen. Die Trainingspartner zu Hause reichen nicht aus. Sie müssen zu den internationalen Trainingscamps. Nur dort können sie mit den Besten trainieren“, erklärt Leonhardt. Dieses Problem hatten die Frauen nicht, da sie starke Trainingspartner mit den Männern oder Junioren hatten. „Die Vorbereitung für die Frauen war also vergleichsweise besser.“
Das Fehlen internationaler Gegner war allgemein zu beobachten. „Auch die Japaner leben normalerweise davon, dass immer alle zu ihnen fahren. So hatte man den Eindruck, dass sie bei der WM jetzt auch nicht geglänzt haben.“ Auch sie brauchen die internationalen Partner*innen, weil sie zum Beispiel andere Stile und Arten haben, um sich durchzusetzen. Mut mache, so sagt Leonhardt, dass die deutschen Männer ihre Kämpfe bei der WM nur ganz knapp gegen Topleute verloren haben. „Es waren enge Entscheidungen, die beim nächsten Mal auch andersherum fallen können. Die Männer haben sich inhaltlich sehr gut präsentiert“, resümiert Leonhardt über die WM. Die deutschen Frauen hingegen waren mit Gold durch Anna Maria Wagner (-78 kg) und Bronze durch Theresa Stoll (-57 kg) sehr erfolgreich. „Es sieht auf jeden Fall in Richtung Olympischer Spiele gut aus.“
Die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele wurde erstmals dem wachsenden Trend eines Velocity Based Trainings angepasst. „Wir haben als eine Komponente mit technologischer Unterstützung des Fachbereichs MINT geschwindigkeitsorientierte Kraftprofile für das Training erstellt, damit zu Olympia alle so explosiv und schnellkräftig wie möglich sind“, erklärt der Trainingswissenschaftler.