In Vorbereitung auf die Spiele in Peking wurden diese Analysen bei der WM 2021 in Pokljuka noch einmal besonders intensiv und detailliert durchgeführt. Die Analysen erfolgen in der Regel in den Disziplinen Einzel und Sprint. Verfolger, Massenstart oder Staffel sind aufgrund taktischer Einflüsse dafür eher weniger geeignet.
Vergleich der Deutschen mit der internationalen Spitze
Ein Aspekt der Analysen war der Vergleich von Laufzeiten, Geschwindigkeiten, Runden-zeiten, Trefferquoten und ähnlichen Parametern der Deutschen mit den internationalen Leistungsklassen Top-3, Top-Ten, Mid-Ten, Last-Ten.
Ein anderer Schwerpunkt waren Technik- und Schrittstrukturanalysen in unterschiedli-chem Gelände (Ebene, Anstieg). Diese haben gezeigt, dass bei den Herren im Anstieg eher lange Zykluswege sowie ein hoher Anteil (56 Prozent) an der Eintakttechnik bei den Top-Ten-Läufern auffallen. Die Top-3 setzen diese Technik sogar zu 100 Prozent ein. In der Ebene sind etwas längere Zykluswege von Vorteil, die deutschen Athleten, die eher alle Techniken einsetzen, realisieren jedoch circa 90 Zentimeter pro Zyklus weniger als die Top-Ten, die auch hier einen hohen Anteil der Eintakttechnik aufweisen.
Die deutschen Damen zeigten auf den untersuchten Geländeabschnitten mittlere Lauf-geschwindigkeiten auf höchstem Niveau. Sie erreichten diese im Anstieg eher über die Bewegungsfrequenz, auch wenn auf Basis der Berechnungen der Wissenschaftler längere Zykluswege etwas im Vorteil gewesen sind. Das gilt auch für die Ebene, wo die deutschen Athletinnen genau diese Techniklösungen wählten, was auf ein entsprechend ausgeprägtes Technikniveau schließen lässt (impulsbetonter Vortrieb und Gleichgewicht auf Ski für lange Gleitphasen).
Die Analysen zeigen zudem eine extrem hohe Laufleistungsdichte. So laufen die Top-3 lediglich ein Prozent schneller als die Top-10. Die von unseren Wissenschaftlern ermittelten Prognosegeschwindigkeiten liegen bei 6,50 Meter pro Sekunde für den Sprint der Frauen und 7,50 im Sprint der Männer, was eine durchschnittliche Leistungssteigerung von zwei Prozent pro Olympiazyklus bedeutet. Für das Schießen wird konstatiert, dass eine Trefferleistung von 95 Prozent für das Erreichen einer Podestplazierung notwendig ist. Die Fehler liegen im Liegendschießen primär beim fünften, im Stehendschießen beim ersten Schuss. Eine gute Entwicklung zeigt Vanessa Voigt, die im Vorjahr bereits mit einer Trefferquote von 93 Prozent aufwartete und aktuell unter den für sie neuen Belastungen im Weltcup bei 90 Prozent liegt. Auch in der Laufleistung zeigt sie eine gute Entwicklung mit noch vorhandenem Entwicklungspotenzial.
Fokus IAT-Projekt: Schießen
Nachdem über viele Jahre besonders die Laufleistung im Fokus der wissenschaftlichen Unterstützung stand, die Bedeutung von Laufen und Schießen für die Biathlonkomplexleis-tung jedoch etwa gleich ist – außer im Sprint der Frauen, wo das Laufen einen Einfluss von etwa 58 Prozent hat –, lag der Fokus des aktuellen IAT-Projekts auf dem Schießen, konkret auf der „Erhöhung der Biathlon-Trefferleistung unter Wettkampfbedingungen durch Optimierung schießtechnischer, psychomotorischer und taktischer Leistungsvoraussetzungen“. Dabei ging es um die Erarbeitung innovativer Inhalte im Schießtraining (Trockentraining, Grundlagenschießen und Komplextraining), die Realisierung turnusmäßiger internationaler Schießtests und biomechanischer Schießdiagnostiken, vergleichende Längsschnittuntersuchungen sowie um die Erarbeitung eines Trainingsmittelkatalogs Schießen.
Ziel dieser Arbeit war das Erreichen einer variablen Verfügbarkeit einer zielführenden Schießtechnik bei verschiedensten Bedingungen, wie unterschiedliche äußere Bedingungen oder unterschiedliche Geschwindigkeiten. Es wird betont, dass in der Teilleistung entwickelte Komponenten jedoch immer auch in der Komplexleistung realisierbar sein müssen, um leistungswirksam zu werden.
In einem neunmonatigen Kooperationsprojekt wurde ein maßgeschneiderter Trocken-trainingssensor mit App für das sogenannte Haltetraining entwickelt und evaluiert. Das System, das von den Athletinnen und Atheten selbst zu Hause eingesetzt werden kann, analysiert beispielsweise die Verkantung des Gewehrs oder die Zeit zwischen den abgegebenen Schüssen und liefert die Informationen per Audiofeedback an den Schützen oder die Schützin zurück. Es ermöglicht auch Vergleiche zwischen den Athletinnen und Athleten.
Beim Blick über den Tellerrand fällt zum Beispiel auf, dass Frankreich mit einer einheitlichen Strategie in der Schießausbildung vom Nachwuchs bis zur Spitze punktet und der langfristige Leistungsaufbau im Schießen dort hervorragend organisiert ist. Deutschland wiederum verfügt über den „Luxus“, Waffenbauer im eigenen Land zu haben, sodass individuelle Anpassungen der Waffe unkompliziert vorgenommen werden können und die Deutschen waffentechnisch sehr gut aufgestellt sind.